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Spieleeindrücke + Neues von der Jury

In ganz Deutschland schlafen die Spieleblogs, denn die Messe in Nürnberg läuft auf vollen Touren. Ganz Deutschland? Nein, eine kleine Spielewebseite sendet unaufhörlich ihren Montagsblog. Und bevor all die neuen tollen Spiele aus Nürnberg erscheinen, berichte ich ein wenig über ein paar Spiele, die ich in letzter Zeit gespielt habe. Zwei davon, Bisikle und i9n findet man nicht hier sondern bei den Rezis. Über Captain Cool, Grenzenlos und The Resistance habe ich bereits beim Sylvester geredet. Hier sind noch ein paar Spiele, über die ich was schreiben kann…

Vorher aber ein Update: Die Jury hat jetzt offiziell bekannt gemacht (fast hätte ich „zugegeben“ geschrieben – Böser Freud!), dass die Jury in Zukunft einen Hauptpreis für Vielspieler vergeben wird. Warum ich das nicht nur für falsch, sondern für schlichtweg gefährlich halte, habe ich bereits letztes Jahr geschrieben uns sehe keinen Grund diese Schelte zu wiederholen. Nun ja, die Meldung wird sicherlich Jubelstürme im Forum auslösen, aber darum kann es ja nicht gehen (Außerdem empfehle ich diesen Artikel von mir- wenn schon Änderung, dann richtig!)

Magister Navis: Ja, dieses Spiel ist schon etwas älter. Die älteren unter meinen Lesern werden sich erinnern: Magister Navis kam bereits Essen 2009 auf den Markt, in unserer schnellebigen Zeit also quasi in grauer Vorzeit. Auch wenn es mich „Street Cred“ kostet: Ich habs jetzt erst gespielt. Zwar hat bestimmt ein Großteil der Leser schon wieder vergessen, ob sie es im Schrank stehen haben oder nicht (weil sie die Esseneinkäufe vom letzten Jahr davor gestellt haben) aber ein paar Worte möchte ich dennoch verlieren (und sei es nur, um ein paar Witze um die ewige Jagd nach neuen Spielen zu machen): Thematisch geht es bei Magister Navis ums entdecken und kollonisieren und passt thematisch (wenn auch nicht mechanisch) zu Vasco da Gama und Navegador, ist aber mit Sicherheit das abstrakteste von den Dreien. Denn in erster Linie ist Magister Navis ein Sammelspiel: Jede Rund wird ein Gebäude gebaut (was ich für eine nette Idee halte!), welches irgendwelche Vorteile hat. Dann können Gebäude genutzt und/oder Siedlungen errichtet wredn. Siedlungen bringen 1 Siegpunkt, manchmal auch mehr, wenn sie mit anderen eigenen Siedlungen verbunden sind. Zu Beginn kann man aber nur in Europa siedeln und der Platz wird bald eng- Also muss man woanders hinfahren. Und dort bekommt man ggf. auch die wertvollen Karten, die Vorteile bringen: Man darf auf einer seiner Leiste voranschreiten und das bedeutet (je nach Leiste) mehr Aktionen, mehr Gebäude die in zwei aufeinanderfolgenden Runden genutzt werden können, mehr Karten in der Auslage usw. Also: Ein Engine-Game. Die erste Partie hat durchaus Spaß gemacht. Nach einer Partie sehe ich es vor Navegador, weil es mehr „Turn Angst“ bietet, aber hinter Vasco, das mir als Gesamtwerk besser gefällt. Interessant war, dass ich zweiter wurde, obwohl ich nie Governeur wurde (hatte da mehrmals Pech) und dass weder ich noch der erste Spiele je gekämpft hat. Das Kämpfen sehe ich übrigens nicht als Problem: Zwar kann sich das Opfer nicht wehren, aber ein Kampf ist sehr teuer.

Haggis: Man merkt, dass dieses Spiel von einigen Tichu-Fans mitgestaltet worden ist. Es ist eine Tichu-Variante für 2-3 Spieler mit einigen sehr cleveren Ideen. Im Prinzip muss man die Kombination des anderen jeweils überbieten, wenn das nicht geht, gewinnt der andere den Stich. Das trickreiche an der Geschichte ist, dass jeder von Beginn an über drei Joker verfügt, die auch zum „bomben“ benutzt werden können (d.h. sie überstechen jede Kombi, der Stich muss aber abgegeben werden, was ebenfalls clever ist). Dadurch ergibt sich eine enorme Spannung: Spiele ich diese Kombination? Mit einem Joker könnte er die überbieten. Sollte ich einen Joker dazu geben? Dann kann er nur noch bomben und danach wären all seine Joker futsch. Aber ich könnte selbst nicht mehr bomben… Mmh. Kurzum: Ein extrem spannendes Stichkartenspiel mit hoher Lernkurve und Spielkontrolle! Indie Card & Board games hat auch mein Filipino Fruit Market im Programm. Das muss ich erwähnen, denn alle drei Spiele , die nicht von mir sind (Triumvirat, Haggis, Resistance) gefallen mir außerordentlich gut! Allerdings setzt die Regel vorraus, dass man Tichu kennt – für Nicht-Tichuisten enthält sie einige Unklarheiten.

Schlag den Raab: Dieses Spiel hat laut Ravensburger letztes Jahr am meisten Umsatz generiert und sich 200.000mal verkauft. Ein Exemplar ging an mich, also erwarte ich jetzt ein persönliches Dankeschön von Ravensburger!  Das Spiel selbst ist eine gute Umsetzung der Show: Einer spielt gegen alle (hätte imho nicht unbedingt sein müssen, aber man kann ohne Probleme auch zwei Teams gegeneinander antreten lassen) und man ermittelt immer eines von sehr vielen Spielen. Das erinnert im Prinzip an das „Spiel der Spiele“ – auch dort spielte man sehr viele kleine Spiele, um Punkte für das Metaspiel zu sammeln. Im Schnitt sind die Raab-Spiele aber deutlich besser, es sind mehr und vor allem gibt es dort keine Wiederholungen. Für ein Kommunikationsspiel ist das alles sehr ordentlich, vor allem weil die Bandbreite der Spiele recht groß ist: Schätz- und Quizspiele, Rückwärts Buchstabieren, Papierflieger bauen, „Meiern/Mäxchen“ und vor allem eine Menge Schnipps- und Werfspiele. Sowas muss man mögen, dann ist man gut bedient. Zumal das Spiel recht gut erweiterbar ist. Ich wünsche mir aber ein App, das die Spiele ermittelt, der Kreisel ist ziemlich suboptimal und zudem könnte so ein App auch das Addieren neuer Spiele (inklusive eigener Ideen) erleichtern. Mir hats gefallen (wobei ich natürlich wusste was mich erwartet), aber in jeder Spielrunde war mindestens ein Mitspieler, dem das alles zu albern war und der die Spiele nicht mochte. Und die 6 Spieler sind eine Mogelpackung: Der sechste Spieler spielt offiziell nicht mit! Wie gesagt, einfach 2 Teams á drei und dann passts wieder.

K2: Gleich vorab: Vielleicht mein Lieblingsspiel der Messe bislang! Nur eine Partie, aber die war extrem spannend. Jeder Spieler führt zwei Bergsteiger gen Gipfel, dabei muss man sich aber kräftig akklimatisieren, denn durch Höhe und Wetter (das wechselt) verliert die Leute Lebenspunkte und wenn die alle sind, ists aus für den Bergsteiger. Bewegt werden die Spieler mit Hilfe von Karten vom eigenen Satz und so ist der Glücksfaktor überschaubar. Und die Athmosphäre stimmt: Es ist wirklich eine spannende Frage: Noch höher klettern oder absichern? Schaffe ich es auf den Gipfel und komme ich zurück, bevor das Wetter schlechter wird? Baue ich das Zelt hier oder erst nächste Runde? Dann passts aber nicht mehr so schön in meine Rundenstruktur… Spiele ich viele Punkte mit dem Risiko alleine am meisten Punkte zu haben und Aktionspunkte zu verlieren? Alles ist stimmig und spannend und das ohne große Regelhürde – Super! Zudem ist das Spiel gut skalierbar: Einfache Besteigung oder schwierigere Seite? Sommer- oder Winterwetter? Bergwacht für den Notfall oder nicht? Mehr Platz für 5 Spieler oder weniger? Ein rundum gelungenes Produkt, über dessen Kauf ich mich sehr gefreut habe! Ich hoffe, dass der Wiederspielreiz hält, was der Ersteindruck verspricht…

Castle Panic: Alle beschützen die eigene Burg gegen anstürmende Monster. Diese können mit passenden Karten angegriffen werden. Zerreißen die Monster die Burg haben alle verloren, sonst gewinnt der Spieler, der die wertvollsten Monster plätten konnte. Ganz klar ein Spiel für die richtige Runde und unsere Runde war das nicht – Sie hatte Probleme mit dem semi-kooperativen Aspekt: Einerseits möchte man den anderen die Karten nicht gönnen, andererseits möchte man nicht, dass die Burg zerstört wird. Hätten wir mehr „wenn nicht ich, dann keiner“ gespielt, wäre es in die Hose gegangen, so wurde im allerletzten Zug die rettende Karte gezogen und die Burg gerettet – spannend wars, aber irgendwie auch banal. Vielleicht funktioniert es als echtes kooperatives Spiel oder als echtes einer gegen alle Spiel besser (für beides gibt es Varianten in der Regel), so erschien es auch recht glückslastig: Wer stärkere Karten zieht hat deutliche Vorteile. Zudem kommt es häufiger vor, dass man Gegner verletzt aber nicht tötet, die dann jemand anderes abstaubt – der wird dann glücklich beschenkt. Sicherlich, genau das gehört zum Spielprinzip, aber so richtige Begeisterung kam keine auf. Bei BGG wäre es eine 6 von 10.

Sun, Sea & Sand: Nur eine Partie und die zu zweit. Man managed ein Ferienparadies und schickt seine Leute zum Kauf von Hütten und Attraktionen und um Leute abzuholen. Leute im Resort (die eine Hütte brauchen) bringen Geld. Die meisten Runden benötigt man, um Geld zu scheffeln, Siegpunkte gibt es in der letzten Runde. Das alles greift schön ineinander, ist schlüssig und ein gutes Mikro.Management-Spiel. Für mich persönlich aber zu viel Mikro und zu viel Management, auch wenn ich es gerne noch mal mit mehr Spielern ausprobieren möchte. Ich kann mir vorstellen, dass es dann richtig brutal wird…

Cats & Chocolate: Ein Erzählkartenspiel: Wer an der Reihe ist, zieht eine Karte, die ihm mitteilt, was ihm im Gruselhaus passiert: z.B. wird er von Messern angegriffen, der Kronleuchter fällt herunter oder er erfriert im Weinkeller. Dann zieht er 1-3 Gegenstandskarten und erklärt den anderen, wie er sich damit rettet. Dann stimmen die anderen ab, ob er überlebt oder nicht. Das ist natürlich immer so eine Sache: Schlüssige Geschichten sind oft nicht so witzig, witzige Geschichten oft nicht schlüssig, also ist das Abstimmen so eine Sache und sollte nicht zu ernst genommen werden. Der Gewinner ist eh egal, es geht um die Geschichte. Und als solches ist es ganz ordentlich weder das Beste (das dürfte immer noch „The big Idea“ sein) noch das schlechteste dieses Genres. Ich mag solche Spiele, hätte dieses jetzt aber nicht unbedingt auch noch gebraucht.

Stich-Meister: Als Stichspielfreund musste ich mir dieses Kartenspiel von Friedemann Friese einfach ansehen! Jede Runde werden die Regeln neu festegelegt: Jeder spielt verdeckt eine Regelkarte und alle Regeln sind in Kraft! Das können schnöde Punkteregeln sein, sind aber meistens eher Regeln für Trumpf oder Reihenfolge der Karten oder Spezialeffekte, wie z.B. den Zwang Stiche zu verschenken oder Karten verdeckt auszuspielen. Das Resultat: In jeder Runde muss man sich tatsächlich auf ein neues Stichspiel einstellen. Daher kann man Stich-Meister nicht üben. Das macht aber nix, denn viele Regelkombinationen bedingen nicht unbedingt ein anspruchsvolles Spiel – vielmehr ist Stich-Meister eine eher heitere Angelegenheit. Viele Regelns sorgen schlicht für eine ziemlich unplanbare Angelegenheit. Wer also das neue Deluxe-Stichspiel erwartet wird enttäuscht. So als „Filler“ ist es aber ganz unterhaltsam. Und immer wieder neu.

10 Days in the Amerikas: Ich habe alle Spiele der Europtour/10 days- Reihe und will nicht auf die Regeln noch einmal eingehen. Als Kenner stelle ich lediglich fest: Aufgrund der vielen Schiffe wird die Angelegenheit eher zur Kreuzfahrt als zur Rundreise. Das Verhältnis aus Transportmitteln (Schiffe und Flugzeuge) und Ländern erscheint mir hier nicht ausgewogen. Das ist natürlich geographisch bedingt, aber so ordnet es sich recht weit hinten in die Reihe ein: Ganz vorne sind immer noch Europa und die USA, dann kommt nichts, dann folgt Asien (obwohl schwer und das längste) und dann Amerika und Afrika (bei der bestimmte Länder einfach zu wichtig sind und so oft zu viel blockiert ist,wenn jemand anderes die hält oder die Karten weit unten im Stapel sind. Übirgens habe ich es bei den Amerikas geschafft in meinen ersten Spielzug zu gewinnen! Auch kein Qualitätsmerkmal.

Insgesamt aber mit Spielen wie i9, Resistance, Haggis, K2 und wie sie alle heißen, ein fantastischer Jahrgang, wie es ihn lange nicht gab!

ciao

peer

Peer Sylvester
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7 Kommentare

  • Hallo Peer,

    an dieser Stelle mal ein Dankeschön für die z.T. tiefen und vielschichtigen Einblicke hinter die Spielweltkulissen – ideal als Diskussionsgrundlage (in anderen Foren) UND amüsant zu lesen… ein rundes Lob an diesen Blog! ;)

    Kein Lob ohne Bitte: Unsere Familie liebt Erzählkartenspiele a la „Es war einmal“, da würde das „Cats & Chocolate“ ja hervorragend passen. Bei welchem Verlag/Bezugsquelle ist es denn erschienen/zu haben?

    Spiele Grüße,
    Tom

  • Danke für den Tipp! Schade nur, dass scheinbar schon wieder ein schnödes Zombie-Thema daraufgesetzt werden soll… das mit den Katzen im Gruselhaus hörte sich doch viel origineller/witziger/familientauglicher an…

  • Sollte bei Günter keines sein, könnte ich für dich direkt in Japan nachfragen, dann wirds aber portomäßig recht teuer für ein Kartenspiel.
    Thematechnisch gebe ich dir recht :-) Aber Zombies sind wohl gerade mode.

  • Dank Dir, aber das wird wohl doch zu kostspielig und aufwändig für uns „Familienspieler“. :)
    Vielleicht taucht es ja doch irgendwo/wann als normales und bezahlbares Kartenspiel auf… oder wir betätigen uns eben familiär als Ideenklauer und basteln uns in den nächsten Ferien unser eigenes Erzählspielchen zusammen… (natürlich zu rein privaten Zwecken).
    Nochmals herzlichen Dank für Dein freundliches Angebot!

  • Momentan habe ich nur vier Titel von Japon Brand im Programm:
    Bus Stop, The Truckers, Hau La und RRR. Sicher werden es noch mehr werden, möglicherweise aber erst wieder zur Messe in Essen. Ist zwar nicht ausgeschlossen, dass ich vorher mal was bestelle, aber das ist noch nicht konkret. Wer an bestimmten ‚Japon Brand‘-Spielen http://japonbrand.gamers-jp.com/games.html interessiert ist, kann mir gern unverbindlich eine Email schicken: cornett@bambusspiele.de