spielbar.com

„Ich möchte ein Spiel erfinden“

Etwa 3-4 mal im Jahr meldet sich jemand bei mir per Email und möchte wissen, wie man ein Spiel erfindet. Die Bandbreite reicht von Lehrern, die das mal im Unterricht machen wollen über Examensarbeiten bis hin zu Leuten, die anscheinend nur einen Satz schreiben können und erwarten, dass man ihnen ein Patentrezept gibt. Obwohl man auf die Frage „Wie erfinde ich ein Spiel?“ kaum eine konkrete Antwort geben kann, nehme ich mir immer so ne halbe Stunde zeit, um eine ausführliche (und hoffentlich einigermaßen hilfreiche) Antwort zu formulieren. Eine Antwort habe ich allerdings nie bekommen. Daher dachte ich mir: Ich fasse die wichtigsten Antworten in einem Blogbeitrag zusammen, den ich dann im Zweifelsfall verlinken kann. Ergänzungen sind willkommen!

1. Es geht hier nicht um Computerspiele! Das muss ich mal klar sagen. Brett- oder Kartenspiele sind das Thema der Spielbar. Bei digitalen Spielen kann ich nicht weiterhelfen. Wer englisch kann, googelt da mal Gamasutra.

2. Spiel erfinden – Warum? Warum wollen Sie ein Spiel erfinden? Für sich, für die Herausforderung oder für eine Seminararbeit? Ich frage deshalb, weil vielen nicht klar ist, dass Spielerfindung echt Arbeit bedeutet. Selbst bei meinem schnellsten Produkt von Idee zum fertigen (und veröffentlichten) Spiel habe ich so 5-7 Stunden Arbeit investiert. Bei den komplexeren Projekten ist man schnell bei zweistelligen Stundenzahlen, mit Testspielen kommt man auch schon mal auf 100 Stunden und mehr. Das hängt natürlich stark von der Komplexität, vom Spiel, vom eigenen Anspruch und davon ab, ob die Idee so funktioniert, wie man denkt. Etwa 1 von 3 Ideen bei mir entpuppt sich als Fehlzündung für die Tonne. Mindestens.Letztlich ist das Erfinden eines Spiel ein Erfinden – man hängt an der Idee, die man hat. Hat man keine, kann einem niemand helfen.

Wer ein Spiel für sich erfindet, weils ihm Spaß macht, der sollte durch solche Zahlen nicht abgeschreckt werden. Wer aber das Spiel erfinden möchte, weil er ne originelle Seminararbeit abgeben möchte oder weil er ein Spiel in erster Linie als Vehikel für etwas anderes (etwa ein Designprojekt) erfinden möchte, sollte sich an dieser Stelle ernsthaft überlegen, ob er diese Arbeit investieren möchte. Wenn nicht: Für die eben genannten (und andere) Ziele ist es legitim sich an andere Spiele (wie Monopoly, Quartett oder so) anzuhängen und diese zu bearbeiten. Da können passende Sachen bei rauskommen, aber haben Sie nicht den Anspruch damit hinterher Geld zu verdienen – Verlage lehnen Bearbeitungen anderer Spiele grundsätzlich ab.

3. Wo kommen die Ideen her? Das ist natürlich hoch individuell und da ist jeder anders – meine Ideen kommen oft aus der National Geographic oder beim Lesen über andere Spiele. Prinzipiell sollte man sich überlegen: Was interessiert mich? Was fände ich reizvoll in einem Spiel auszuprobieren? Das kann sowohl ein Thema („ich würde gerne ein Spiel über Belgien machen“) oder ein Mechanismus oder ein Konzept (Was passiert wenn man ein Legespiel mit Risiko kreuzt?) oder auch eine Umsetzung von einem Computerspiel aufs Brettspiel (Palladium oder The Sentinel wären interessante Beispiele) (ist übrigens was anderes als eine Brettspielbearbeitung, weil ja neue Mechanismen gefunden werden müssen) oder eine Buch- oder eine Filmumsetzung oder…  Mein erstes Spiel basierte auf einem Lucky-Luke-Zitat (ist nie fertig geworden, da es an einer Stelle immer hakt) – man sieht es sind keine Grenzen gesetzt.  Hauptsache es reizt sich damit zu beschäftigen. Man wird eine lange Zeit mit der Idee verbringen, da muss die schon was taugen.

4. Und dann? Brainstorming! Im Kopf durchspielen wie die Idee umgesetzt werden kann. Oder auf Papier. Oder digital. Oder haptisch mit Spielsteinen  – jeder arbeitet anders. Wie sowas grundsätzlich aussehen kann, habe ich hier beschrieben. Wichtig ist: Ehrlich zu sich selbst sein und versuchen Schwachstellen zu finden und zu eliminieren und versuchen herauszufinden wo der Spielreiz herkommen kann. Wenn das Konzept steht ruhig Variablen wie Startkapital oder Anzahl Handkarten oder Siegpunkte etc. willkürlich festlegen. Dann -soweit möglich – mit sich selbst spielen. In die Rolle der Mitspieler schlüpfen. Der Selbststest ist wichtig, um zu sehen ob man tatsächlich Entscheidungen hat, ob jeder dasselbe macht, ob alles funktional ist, ob sich das Spiel aufhängt. Und wenn alles irgendwann mal funktioniert immer wieder testspielen. Und auf Kritik der Mitspieler pochen – und wieder: Ehrlich zu sich selbst sein. Oft ist man selbst der einzige, der sich traut, was zu kritisieren – also selbst das Eis brechen und sagen, was einem nicht gefallen hat. Und natürlich Schwachstellen ausbügeln. Aber wer es soweit geschafft hat, weiß auch wies weitergeht.

Und wenn nicht: Das Spielbox-Autorenforum kann helfen, ebenso der Leitfaden für Spieleerfinder und die „Spiele entwickeln“ – Reihe.

ciao

peer

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)

23 Kommentare

  • ein spiel erfinden wie kommt man denn auf so eine Idee? Und dann noch zu denken das es so einfach ist ein Spiel zu erfinden am besten noch 3D Spiele!

  • Manche Leute zählen die Spielerfindung zu der richtigen Jobs. Aber das ist so falsch. Man soll an erster Stelle kreativ sein, das ist das Wichtigste, meine ich.

  • Lieber Peer,
    diese Einträge sind schon länger her, aber ich interessiere mich brennend für das Thema Spiele erfinden. Ich bin eine Logopädin aus der Schweiz und verändere schon bekannte Spiele ständig oder entwickle teils neue mit neuen Inhalten aber auf Grundlage eines bekannten Spiels (Memory,…)
    Momentan habe ich eine konkrete Idee und arbeite gerne mit Holz. Wo hast du deine Prototypen hergestellt und wie bekomme ich später für mein Spiel Rückmeldungen (gibt es erfahrene Spielentwickler in der Schweiz??)
    Merci im Voraus und coole Artikel zu diesem Thema;-)
    Rebi

  • Hallo,
    Protoytpen bastele ich selber, insfoern bin ich auf das beschränkt, was ich kann ;-) Allerdings ist das nicht so schlimm: Für Testspiele reicht ein funktionialer Prototyp, Verlage machen in der Regel eh ihre eigentliche Graphik.
    Bei sehr haptischen Dingen hilft Vorarbeit natürlich – man sollte sich aber keinesfall in finanzielle Unkosten stützen, bevor man den Proto ein paar mal gespielt hat – nichts ist ärgerlicher als Geld in einen Prototypen versenkt zu haben, der dann unspielbar ist.

    Es gibt den Schweizer Verlag Gameworks und auch eine Schweizer szene – zumindest küren die ihren Brettspielpreis… Besser kenne ih mich da unten allerdings nicht aus – über das Spielbox-Forum solltest du aber fündig werden!

  • An Rebi: Spielmaterial für Brettspiel-Prototypen gibt es zum Beispiel bei spielmaterial.de. Es kann auch das Material weniger gute Spiele aus der eigenen Sammlung zweckentfremdet werden.

  • Hallo, ich habe auch ein Brettspiel erfunden, es handelt sich hier um ein Mannschaftsspiel, Tem A gegen Team B. Es ist für 4 bis 6 Spieler gedacht und ich hab es zusammen mit meinen behinderten Bewohnern erfunden. Ich habe heute das Brett fertig gestellt und mache in den nächsten Tagen die Würfel, die nur mit dreien und einsen bestückt sind und die Halmas gestalte ich auch selbst, muss ich noch fertig werkeln. Das Spiel wird im Berufskolleg auch zensiert, ist für meine behinderten Bewohner gedacht, die haben dem Spiel auch den Namen gegeben. Und die Fragekärtchen gestalte ich auch grade fertig, es dürfen nicht schwere Fragen sein, sondern auch im Schwierigkeitsgrad für meine Bewohner, Sie sind alle geistig behindert, gehen aber tagsüber in einer Behinderten Werkstatt arbeiten und sind zw. 22 und 53 Jahre alt. Wer sagt, das das keine Arbeit ist der hat soetwas noch nie gemacht. Es ist sogar sehr viel Arbeit und eine Gebrauchsanweisung muss ich auch noch schreiben, auch auf dem Niveau von meinen Bewohnern. Probiert es doch mal selbst, wenn ihr meint es sei so einfach! Es kostet viel Zeit, ist echt Arbeit, aber es macht auch viel Spass.

  • Habe durch den oberen kurzen Text viel über Spiele gelernt, es ist besonders gut dass ich jetzt auf diese gute, helfende Website stoße, da meine Freundin und ich für eine Prüfung ein gutes Spiel entwickeln sollen. Klar wir haben nicht viel Zeit, aber es soll schon irgendwie interessant werden. Wir werden ein etwas anderes Spiel entwickeln, das ein wenig seltsam ist und zwar um soll es sich um ungezogene Hunde und Menschen handeln wo dann durch unterschiedliche Würfel einmal der Hund und einmal der Mensch entscheiden kann in welche Richtung es geht. Der Mensch möchte so schnell wie möglich nach Hause, aber er Hund will natürlich in die andere Richtung. Viele andere bauen auf Spiele auf, so wie die kleine Raupe Nimmersatt, aber das finde ich unkreativ. Ist das eine gute Idee mit Mensch und Hund?!
    Lg

    Fiona Marie

  • Danke für das Lob. So in dieser Kurzform ist das natürlich etwas schweirig zu entscheiden, aber es ist auf jeden Fall eine nette Idee. Wichtg ist, dass ihr das macht, was euch gefällt :-)

  • Ich kann gut verstehen, dass wenn man eine Idee hat, man sie am liebsten auch sofort umsetzen würde. Nur so schnell geht das nicht. Man muss sich zuerst mal überlegen, ob man ein Karten -,Brett-, Würfelspiel usw. erfinden möchte und worum
    es in dem Spiel überhaupt gehen soll. Erst dann sollte man sich Gedanken über Farben, Gestaltung, etc. machen. Danach kann man versuchen das Spiel umzusetzen und zum Schluss es zu spielen. STOP ! Bevor ihr wirklich damit anfangt ein Spiel zu erfinden überlegt euch, ob ihr genug Zeit und Geduld dafür habt, denn ein Spiel zu erfinden dauert wahnsinnig lange!

    PS: Ich habe mich dazu überredet ein Spiel zu erfinden und werde mich an die Arbeit machen. Viel Glück noch bei eurer Erfindung und bis bald.

  • Hey, ich bin dabei ein Strategie-Spiel zu entwerfen. Allerdings seit Monaten :)
    Immer wieder ändere ich einige Regeln und Aktionskarten, während meinen Testspielen! Mein Hauptproblem ist es ein Ende des Spiels festzulegen! Bei x Punkten (allerdings hat man je nach Spielstrategie mal nach 30 min 15punkte mal 30)
    Gibt es da irgendwelche Empfehlungen?
    Danke
    dDan

  • Konkrete HInweise sind schwieirg ohne das Spiel zu kennen. Mir persönlich gefallen „organische“ Enden am liebsten, also ein Spielende, das sich logisch aus dem vorherigen ergibt: Z.B. weil alles auf dem Spielplan voll ist oder ein Material komplett verbraucht ist oder weil die Spieler alles verbaut oder ein bestimmtes Zwischenziel erreicht haben. Oder eine Kombination des ganzen.
    Wenn es Siegpunkte sein sollen und die dir zu stark schwanken: Wie wäre es mit einer Kombination: Man gewinnt wenn man x Siegpunkte erreicht hat UND ein zweites Ziel erreicht hat oder wenn man 2x Siegpunkte erreicht hat und keine Alternative.

    Wenn die Spielstrategien unterschiedlich viele SP generieren, sind die aber eventuell unausgeglichen (wie gesagt ohne das Spiel zu kennen ist eine Ferndiagnose schwer) und die Wege müssten angepasst wreden. Dann würde auch das Spielendenproblem wegfallen.

  • Hallo,

    wenn man eine Idee für ein Spiel hat, wie geht es denn dann konkret weiter?
    Meldet man sich einfach bei mehreren Verlagen und stellt das Spiel vor oder
    Sollte/Kann man seine Idee vorher irgendwie „patentieren“ lassen?
    Sonst könnten Spieleverlage die eigene Idee als die Ihre verkaufen.

    Ich würde gern wissen wie das in der Praxis läuft?

    Vielen Dank

  • Eine Idee reicht nicht. Verlage wollen nur fertig ausgearbeitete und getestete Spiele – Ideen gibt es genug, die Hauptarbeit fängt dann erst an.
    Hat man einen Prototypen soweit fertig und ausgetestet etc, dann kann man ein bisschen recherchieren welcher Verlag dazu passen könnte und mit dem per Email Kontakt aufnehmen. In der Regel: 1. Kurze Zusammenfassung mit technischen Daten (Spielerzahl etc.) schicken, dann auf Anforderung Regel und dann auf Anforderung Prototyp.
    Das problem ist eher die Verlage für die Idee zu begeistern, als diese zu schützen. Ein Patent ist daher unnötig. Im Zweifelsfall hilft es, wenn man den Prototyp irgendwo schon einmal öffentlich gezeigt hat oder z.B. damit an Wettbewerben teilgenommen hat. Es gibt auch einen Service, der Spieleregeln recherchiert, so dass ggf. ein Nachweis möglich ist.
    Aber im ernst: Nötig ist das nicht.

  • Guten Tag!
    Wir, Kalfo und Doginator01 („Künstlernamen“) haben ein Spiel erfunden. Falls Sie Interesse haben,bitte melden. Es ist ein Brettspiel,genaueres erzählen wir Ihnen bei Interesse über meine E-Mail Adresse.
    Mit freundlichen Grüßen Kalfo und Doginator01.

  • Hallo Peer,

    ich habe eine gute Idee für ein Spiel und bin gerade
    an dem Punkt angekommen, an dem ich mich zwischen
    Brettspiel oder Computerspiel entscheiden muss!

    Als leidenschaftliche Entwicklerin ist es mir deutlich wichtiger,
    dass meine Idee zu bestenfalls 100% umgesetzt wird anstatt
    eines überwältigenden finanziellen Erfolges.

    Wenn ich ein komplexes Fantasy-Aufbaustrategiespiel entwickelt
    habe mit schwarzen und weißen Würfel, wie hoch ist dann die
    Wahrscheinlichkeit, dass der Verlag daraus ein vereinfachtes
    Weltraum-Aufbaustrategiespiel mit lila glitzer Würfeln macht?

    Brettspiele zu entwickeln scheint einfacher, schneller und
    günstiger zu sein aber ich brauche zwingenden einen Verlag!
    Computerspiele zu entwickeln ist dagegen deutlich aufwendiger
    aber dank Plattformen wie Steam und Co kann ich meine Idee
    uneingeschränkt umsetzen!

    Viele Grüße
    Doreen

  • Nun ja: Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, hängt von dem Verlag ab. Erst einmal muss das Spiel vom Spielprinzip her passen. Dann wird dich ein Verlag immer fragen, ob Du Änderungen zustimmst oder nicht – du gibst deinen Einfluß also nicht ab. Natürlich kann das auf die Entscheidung „Ändern oder gar nicht veröffentlichen?“ hinauslaufen. Der Großteil der Änderungen sind aber dann doch zum besseren (nicht immer, aber oft), immerhin sind die Redakteure ja auch an einer möglichst guten Umsetzung interessiert.
    Es ist auch möglich ein Brettspiel im Eigenverlag herauszubringen. Dafür gibt es zahlrteiche Beispiel : Irongames, Histogames und so fast alle kleineren englischen Verlage… Das Problem dort ist, dass man dort vorab Kapital für das Material aufbringen muss und sich mit Dingen wie Buchhaltung und Gesetzesvorschriften herumschlagen muss – aber da gibt es ittlerweile viel Hilfe im Internet. Da haben Computerspiele einen Vorteil: Macht man die alleine, kostet das zwar sehr viel zeit, aber bindet nicht so viel Kapital.

    Letztlich kannst du auch erst einmal einen physischen Prototypen herstellen (*) und das Spiel zu Ende entwickeln – mit einer Idee ist es ja nicht getan. Die eigentliche Arbeit kommt dann erst :-) Dann kannst du immer noch vom physischen zum virtuellen Spiel wechseln, wenn notwendig.

    (*) Das musst du eh – kein Verlag nimmt eine reine Spielidee an, nur fertig ausgetestete und spielbare Prototypen.

  • Man darf nie vergessen, dass ein im Liegestuhl ein gutes Glas genießender Spieleerfinder ein hart arbeitender Mensch ist.