spielbar.com

Ein Plus an Titel?

Als ich vorletzte Woche schrieb, ich könnte einen ganzen Blogeintrag zum „Spiel des Jahres Plus“ verfassen, hatte ich dies gar nicht vor. Doch da kannte ich die Reaktionen auf den neuen Titel noch nicht. Und die waren überwiegend positiv – wenn auch der Titel (zur Recht) angegriffen wurde. Ich sehe den Preis aber generell kritisch und zwar aus zwei Gründen:

Als erstes rufe ich die Jury selbst in den Zeugenstand! Auf ihrer Webseite heißt es:

„Den möglichen Vorteilen einer solchen Aufsplittung (Familienspiel des Jahres, Kartenspiel des Jahres, Strategiespiel des Jahres…), die vor allem auch der Jury selbst die Arbeit erleichtern würde, stehen gewichtigere Nachteile gegenüber. Der Handel, die Medien und die wenig spielerfahrenen Verbraucher sind auf eine „Marke“ fixiert, das „Spiel des Jahres“; eine Unterteilung würde diese Information verwässern und nur zu einer verwirrenden Labelflut führen, also mehr Schaden anrichten als Gewinn bringen. Der zielgerichtete Griff ins Regal würde ersetzt durch die Frage: Welches der vielen „Spiele des Jahres“ ist denn nun das richtige für mich?“

Dem ist kaum etwas hinzuzufügen! Das Spiel des Jahres Plus ist nämlich eine solche Aufsplitterung. Im Moment haben wir eine Nominierungsliste, eine Empfehlungsliste und das sowohl beim eigentlichen Preis als auch beim Kinderspiel des Jahres (den Preis finde ich höchst sinnvoll). Hinzu kommen Sonderpreise. Wenn die Jury den Preis fortführt – und darauf deutet das Fehlen der Bezeichnung „Sonderpreis“ hin – dann sind wir schon beim System des österreichischen Spielpreises. Und wer weiß, vielleicht in 10 Jahren hat das Spiel des Jahres Plus dann seine eigenen Nominierungen und jedes irgendwie brauchbare Spiel hat irgendeine Form von Pöppel auf dem Cover… ;-) Schön, dann gibt es auch keine Verlierer mehr… (Ich kann mich dem Eindruck nicht verwehren, die Jury möchte bloß kein gutes Spiel nicht auszeichnen)…der Titel verliert dadurch aber natürlich gewaltig an Zugkräftigkeit.

Das Problem dabei sehe ich vor allem aber bei der Abgrenzung der einzelnen Preise zueinander. Beim Kinderspiel gabs schon Irritationen (Zapp Zerapp), dabei gibt es dort eine klare Abgrenzung durchs Mindestalter. Aber ob ein Spiel in den Bereich SdJ oder SdJ+ föllt, ist letztlich reine Willkür.

Und damit sind wir beim Hauptproblem: Wenn sich das SdJ+ durchsetzt ist der Sündenfall geschaffen. Damit ist klar: Alles was länger als eine Stunde dauert und/oder mehr als x Seiten Regeln besitzt, kommt für den Hauptpreis nicht mehr in Frage. Dafür gibt es dann ja den SdJ+. Da wird es eine Konstanz geben müssen, sonst wird die Preisabgabe für die Zielgruppe zu undurchsichtig. Das bedeutet aber: Kein Siedler, El Grande, Tikal, Dominion oder Thurn & Taxis mehr als Titelträger. Ich fürchte sogar, dass sich die Jury dann aus Unterscheidungsgründen sogar auf ein noch etwas niedrigeres Niveau zurückzieht und alles mit ein bisschen Komplexität in den Plus-Preis verschiebt. Damit aber verliert der Hauptpreis an Facettenreichtum und an Atrraktivität. Der SdJ konnte sich nicht zuletzt deswegen durchsetzen, weil er ein breites Spektrum an Spielen auszeichnet (von Barbarossa bis Focus war schon in den 80er Jahren viel sehr unterschiedliches ausgezeichnet worden). Das ist aber genau das Gegenteil von dem was mit dem SdJ+ eigentlich wollte – er wollte auch Vielspielerspielen ein zuhause bieten. Ich fürchte damit wird eher ein „Vielspielerghetto“ geschaffen, zumal der Handel sich traditionell auf den Hauptpreis konzentriert. Und was ist mit Spielen wie Agricola oder Caylus? Die sind wohl zu schwierig für den Preis SdJ+, kommt dann das SdJ++?

Ich habe in der Vergangenheit immer die große Ausgewogenheit der Jury gelobt. Im Rahmen des Realistischen wurden immer Spiele aus allen Bereichen des Familienspieles nominiert und ausgezeichnet – von Villa Paletti und Bluff bis Tikal und El Grande. Wird der SdJ+ eine feste Größe wird dies nicht mehr geschehen. Das halte ich für einen Fehler. Die Komplexität und die Spieldauer eines Spieles sind zwei wichtige Faktoren in der Frage ob ein Spiel massentauglich ist. Es sind aber nicht die einzigen – die Spieldauer liegt bei eigentlich allen Klassikern von Risiko bis Trivial Pursuit über einer Stunde; die Regellänge von Siedler liegt deutlich über der von Fokus, dennoch ist das erstere sicherlich um einiges massentauglicher. Konzentriert sich die Jury einzig auf diese Faktoren lässt sie alles andere (wie Intuitivität oder Aufforderungscharakter oder thematische Eindindung ) außer acht und lässt so das Fingerspitzengefühl der letzten 30 Jahre vermissen.

Und das kann keine gute Entwicklung sein.

ciao

peer

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)

8 Kommentare

  • Hallo Peer,

    deinem Kommentar und deinen Befürchtungen kann ich nur zustimmen. SdJ war zumindest von der Theorie her immer auf ein breites Publikum orientiert. Der Deutsche Spielepreis hatte dagegen wesentlich mehr die Vielspieler im Fokus. Warum kann man nicht die Größe haben, den anderen diese Ausrichtung zu lassen. Wer mehr Spieler gewinnen will, muss vor allem bei der breiten Masse und bei neugierigen Einsteigern für Erfolgserlebnisse sorgen. Dafür steht das SdJ im Grundsatz, das ist „draußen“ so gelernt und das sollte auch so bleiben.

    Christian Beiersdorf

  • Da kann ich Euch nur zustimmen! Der Preis SdJ wird damit verwässert, durch die künstliche Trennung werden „große“ Spiele automatisch als dem normalen SdJ nicht mehr würdig abgeschoben, und der Verbraucher unnötig verwirrt.

    Als Liebhaber anspruchsvoller Spiele sucht man sowieso an anderer Stelle nach Informationen (DSP oder BGG).

    Ein SdJ darf durchaus komplex sein, wenn es denn im Jahrgang das beste und originellste Spiel ist. Aber es muss auch massentauglich sein und bleiben.

    Interessant wäre auch die Situation, wenn Fresko SdJ würde – dann wären zwei ähnlich komplexe Spiele parallel preiswürdig!

    Welcher Spontan-im-Handel-Spielekäufer soll da noch durchblicken?

    Ciao
    Stefan Malz

  • Hi Peer,

    Deine Recherche ist nicht korrekt, denn dein Satz, dass der Sonderpreis SDJ+ nicht als Sonderpreis ausgegeben ist, ist nicht korrekt:
    http://www.spiel-des-jahres.com/cms/front_content.php?idcat=124

    Die Jury hat auf ihrer Webseite durchaus den Preis als „Sonderpreis“ geführt und auch im SDJ+ Logo steht „Sonderpreis“. Somit geht deine Schlussfolgerung etwas in die falsche Richtung.

    Ansonsten stimme ich dir aber in vielem zu, z.B. darin dass der Name „SDJ+“ nicht wirklich gut gewählt ist. Da fand ich die Sonderauszeichnung „komplexes Spiel“ besser gewählt. Denn unter Komplex kann sich jeder etwas vorstellen auch die Nichtspieler wissen dann, hier geht es wohl komplizierter zu.

    Der Sonderpreis wird denke ich immer anders heißen, bzw. auch mal 2-3 mal gleich. So lässt man sich schön die Freiheit ob man ein Spiel wegen der Aufmachung, der Idee, dem Inhalt, dem Komplexheitsgrad, etc. mit einer Sonderauszeichnung ehrt.

    Gruß
    Smuker

  • Mmh, das habe ich dann überlesen, oder es stand im Newsletter anders drin.
    Aber Sonderpreis „Spiel des Jahres +“ macht noch weniger Sinn als Bezeichnung!

  • Weniger ist mehr – diese Weisheit ist ebenso alt, wie bewährt. Ein Plus-Preis gewinnt dem Spiel keine zusätzlichen neuen Freunde, denn er wendet sich an engagierte Spieler, die sich sowieso informieren. Die Gläubigen muss man nicht noch gläubiger machen. Ein – gelegentlich und dann aus gutem Anlass – vergebener Sonderpreis ist ein viel stärkeres und überzeugenderes Instrument.
    Spiele Grüße
    Tom

  • […] Es hat ja niemand behauptet, dass es Spaß macht, mit uns zu spielen. Dafür kann man immer was Wichtiges lernen, mal über Steuern, mal über’s Zuhören, immer über Niedertracht. Und wer hier genau aufgepasst hat, weiß jetzt auch, dass meine anderen Freunde auch nicht besser als und genauso fiese wie die Mittwochsmoserer sind. Eines Tages werde ich vielleicht auch begreifen, dass das einfach nur an mir liegt, aber bis dahin ist es noch ein langer und sturköpfiger Weg voller Unverständnis und Beton. Was es mit diesem Spielewochenende auf sich hat, warum keiner der Mittwochsmäkler dabei ist und warum Gürgen Häfen am liebsten sofort wieder mit einmischt, erzähle ich vielleicht ein andermal wenn ein paar Zeilen anstehen, gefüllt zu werden, denn hier in diese muss erst noch ein bisschen anderer Kram, immerhin habe ich ja noch kein Wort darüber verloren, wie wir’s denn nun eigentlich fanden. Wenn ich jetzt auch noch auf Spielewochenenden eingehen soll, zieht sich dieser Artikel wahrscheinlich nochmal weitere 4 Monate hin, die Aktualität ist nicht nur aufgehoben, sondern schwenkt ins Negative und es gibt bald schon wieder ein neues Spiel des Jahres Maxi-King. […]