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Ostern in Mittelerde

Als erstes weise ich auf zwei neue Rezis hin: Alcazarund Vasco da Gama.

Dann kam über Ostern das vielgelobte Abenteuer in Mittelerde auf den Tisch. Hierzu habe ich noch Redebedarf…

Also, Abenteuer in Mittelerde ist ein Fantasy-Flight-Spiel, dass hierzulande von Kosmos verlegt wird, was für sich genommen schon eine kleine Sensation ist. Es ist bewegt sich nämlich von der Spieldauer (pro Mitspieler eine Stunde) und der Regeldichte (20 Seiten Din-A4-Regeln) her in Regionen, die man sonst eher von anspruchsvollen Phalanx-Spielen (wie den Ringkrieg) oder den Heidelberger Lizenzspielen (Arkham Horror, Descent) her kennt.  Ironischerweise sind Thema und Spiellänge für die meisten Vielspieler in meinen Berliner Runden eher abschreckend, und so brachte ich es in meiner Rollenspiel-gewöhnten Hamburger Runde auf den Tisch.

Die Regeln erarbeitete sich jeder im Vorfeld selbst, was schon einmal eine große Erleichterung war – aber auch so dauerten die ersten  zwei Runden ebenso viele Stunden, da so manches nachzuschlagen war. Zwar ist die Regel im Vergleich zu anderen Fantasy-Flight-Spielen geradezu ein Luxus an Verständlichkeit, aber es fehlt dort (trotz „Strategie-Tipps“) der Blick fürs Ganze. Erst wenn man das Regelheft zu drei Vierteln durch hat, bekommt man eine Ahnung, wie das Spiel überhaupt funktioniert. Wie man es spielt, merkt man dann erst beim Spielen selbst. Und es fehlen gerade in den eben erwähnten Tipps lebenswichtige Hinweise wie „Nicht nur Kampf, auch die Bewegungsmöglichkeiten passen zum jeweiligen Charakter; so bewegt sich der Reiter schlecht durchs Gebirge und der Zwerg schlecht durch Wälder“ oder „Zufluchtskarten sind zwar positiv, enthalten aber keine Questen“ oder „Wie negativ oder positiv eine Begegnungsklarte ist, hängt vom Ort ab.“ Aber nun zum Spiel:

Das Ganze spielt ja quasi vor dem Herren der Ringe (nach der Hobbit) und entsprechend versuchen die Kräfte der Guten eine besonders gute Ausgangsbasis für den Ringkrieg zu schaffen. D.h. eigentlich handeln muss Sauron: Er versucht seinen Einfluss auszudehnen, Monster aufs Spiel zu bringen und mit sogennanten „Plots“ seine drei Fortschrittsmarker auf der Leiste möglichst schnell gen Sieg zu bringen. Die Helden müssen eigentlich nix machen, ihr Fortschrittsmarker bewegt sich automatisch jede Runde 2 Felder vor. Daher müssen sie sich also in erster Linie darauf beschränken, Sauron daran hindern, sie zu überholen. Zusätzlich gibt es noch einen Auftrag, den die Helden gemeinsam erfüllen müssen (Unser war 5 Gunst zu sammeln, was so ziemlich der langweiligste Auftrag ist, aber dazu gleich mehr). Im Wesentlichen tun sie dies, in dem sie zu gefährlichen Orten reisen und dort Gunst abgeben. Gunst liegt an anderen Orten herum oder man bekommt sie durch Erfüllung kleiner Nebenaufgaben (den Questen).

Nach Regelstudiuim und positiven Rezis und auch dank des hervorragenden, sehr stimmungsvollen Materials waren wir alle sehr gespannt auf das Spiel. Leider war die Partie dann doch eine ziemliche Enttäuschung. Obs an den Erwartungen lag? Möglich. An Regelfehlern lags jedenfalls nicht (wir hatten ja die Regeln unabhängig voneinander gelesen). Einhelliger Tenor: Hätte die Partie 90 Minuten gedauert, hätten wir das ganze ale „Kennenlern-Partie“ verbucht und hätten gerne nochmal gespielt. 5 Stunden (die sich sicherlich auf 4 Stunden drücken lassen) sind aber definitiv viel zu viel. Hier unsere Hauptkritikpunkte am Spielverlauf:

– Die Helden können eigentlich nur reagieren.  Unruhe lässt sich kaum gezielt entfernen und slebst das lohnt sich nicht richtig. Also beschränkt man sich darauf hier und dorthin zu laufen, je nachdem, was sich eben ergibt. Richtige langfristige Planungen sind kaum möglich. Dadurch kommt auch wenig „kooperatives Feeling“ auf – was man macht ist recht klar und viel abzusprechen gibt es eigentlich nicht.

– Es passiert wenig Konstruktives. Sauron baut immerhin noch seinen Einfluss auf und bekommt mehr Monster. Die Helden erreichen nicht wirklich was dauerhaftes (es sei denn, sie besiegen die Schergen) und ihr Marker bewegt sich eh automatisch. Es gibt für sie so keine Entwicklung im Spiel.

– Das kann an unserer Partie gelegen haben, in der wir zu oft in den Zuflüchten waren, aber: Es wurde wenig trainiert (4x im Spiel), nur einmal wurde eine Eigenschaft verbessert und 2 oder 3 Anführer kamen gar nicht vor. Umgekehrt hatten wir usn gefragt, wo der Sinn daran liegt, Sauron Chips aus dem Schattenpool zu entfernen: Die kann er ohne Probleme gleich wieder ersetzen und knapp wurde es (laut seiner Aussage) sowieso nie. Ähnliches gilt für das Abbauen von Unruhe: Auch das lohnt sich nur bedingt (gut, wenn man die Plotkarten kennt…) Hier würden mich die Meinungen anderer Spieler interessieren. Auch sind wir nie „auf dunklen Pfaden gewandelt“, denn die Eigenschaften der Verderbniskarten sind schon sehr heftig und Gunst war zu selten ein Problem.

– Für ein solch thematisches Spiel, ist vieles dann doch sehr abstrakt: Die Einflussleiste, die Unruhemarker… Das Thema kommt doch eher durch die Karten, aber ich hatte mir da mehr von versprochen. Im Vergleich mit Spielen wie Descent, Herr der Ringe oder dem Ringkrieg fehlt mir hier der Spannungsbogen, die Geschichte im Spiel.

– Die Downtime ist z.T. recht hoch. Gut, wir waren unerfahren und haben z.T. recht lange gebraucht. Aber selbst am Ende kam es zu mehreren Runden wo ich 20 Minuten auf meinen Zug warten musste (Wegen Kämpfe und Bedrohungen und Saurons Karten und der Sauronspieler war auch nicht so der Schnellste), der dann (weil ich nur geheilt habe und zwei Felder weitergesetzt habe) nach  1 Minute beendet war. Da fehlt mir die Interaktivität. Zumal man als Held eben oft mit Kartenmanagement beschäftigt ist, ohne wirklich was konstruktives zu leisten. 

– Entschieden wurde das Spiel durch den Tiebreaker: Kampf zwischen einem Helden und den Ringgeistern. Wir haben gewonnen, aber nach stundenlangem Spiel fühlte sich das Ende total albern an – letztlich wars Glück. Das war schon unbefriedigend. OK, ein Tiebreaker muss sein, aber hätte es nicht was sein können, was sich etwas mehr aus dem Spiel heraus ergibt? So war das Ende losgelöst von allem, was auf dem Brett passiert ist.

Wir hielten dem Spiel zu Gute, dass wir sicherlich einerseits einen ungünstigen Geheimauftrag (Gunst sammeln) hatten. Die Aufträge „Schergen plattmachen“ oder „Questen erledigen“ sorgen sicherlich für mehr Planung au Heldenseite. Auch könnte durch Kenntniss der Plots das Abbauen des Einflusses etwas taktischer werden. Drittens wissen wir jetzt, dass die Karten der Zufluchtsorte zwar positiv sind, es dort aber keine Questen gibt. Wir hingen viel in den Zufluchten rum und so sahen wir sicherlich weniger von der Welt als gedacht (Bestimmte Spielplanbereiche blieben weitestgehend ungenutzt). Aber letztlich benötigt das Spiel eine gehörige Investition an Lebenszeit und das Segment ist eng umkämpft. Wenn ich 4 Stunden am Stück mit der Hamburger Runde spielen will, dann wähle ich Descent oder Dune oder 18xx oder Fury of Dracula oder meinethalben auch Arkham Horror (habs noch nicht probiert) oder Android (will ich nochmal zu dritt probieren), aber nicht unbedingt ein Spiel, dass mich auf Anhieb nicht wirklich überzeugen konnte. Das ist Schade und vielleicht ein Fehler, aber so ist das nunmal…

ciao

peer

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Dann melde ich mich als Sauron auch noch mal zu Wort.
    – Ja, ich musste viel Überlegen bei meinen Zügen. Das ließe sich dadurch verkürzen, wenn ich die Karten vorher gekannt hätte. So war jede gezogene Karte wieder was neues und ich musste erstmal überlegen, wie ich die sinnvoll einsetzen kann. Sauron hat, wie Peer schon schrieb, deutlich mehr Möglichkeiten zu planen.
    – Das entfernen der Bedrohungsmarker aus dem Schattenpool könnte evtl. doch sinnvoll sein. Denn Sauron benötigt den Schattenpool z. B. auch zum spielen seiner Plots. Und das passiert, bevor er selbst den Schattenpoll wieder auffüllen kann.
    – Es kam in unserem Spiel aus meiner Sicht für mich zum Glück noch zum Tiebreak. Ich hatte Glück, die richtigen Plots zu ziehen. Langezeit konnte ich zwei Plots zeitgleich im Spiel halten, die den Ringmarker um insgesamt 4 Felder weiter bewegt haben. Ohne das hätten die Helden locker gewonnen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Sauron ohne solches Glück sonst gewinnen soll…
    – Der Mechanismus für die Aktionen bei Sauron scheint auf den ersten Blick ganz gut. Er hat in einem Vierpersonenspiel pro Runde 3 Aktionen. Für jede Aktion legt er einen von vier Markern auf eine von drei Leisten, um entweder Bedrohungen ins Spiel zu bringen, seine Schergen und Monster zu befehligen oder neue Handkarten zu ziehen. Jeder der Aktionsleisten hat absteigenden „Wert“ von links nach rechts. Der Marker wird immer auf das am weitestens links liegende freie Feld gelegt. In der ersten Runde legt er also drei Marker. In der darauffolgenden legt er zunächst den vierten Marker und erhält dann die anderen drei zurück, wovon er zwei gleich wieder einsetzen kann. Damit ist mindestens für eine Aktion der höchste Punktwert am Anfang blockiert.
    Aber das hat sich bei mir im Spiel praktisch nicht ausgewirkt. Das was ich machen wollte, ging auch so immer Problemlos. Der Grundgedanke ist gut, aber der Einfluss auf den Spielverlauf (zumindest in unserer Partie) war minimal. Schade.

    – Zusammenfassend: Karten vorher in Ruhe anschauen. Dann würde ich gerne noch mal einen Versuch starten.

  • Moin,
    ich kann mich meinen Vorrednern eigentlich nur anschließen (sofern ich den Sauronpart aus Heldensicht beurteilen kann).
    Auch wenn die erste Runde „Abenteuer in Mittelerde“ nicht so berauschend war wie erhofft, denke ich, eine zweite Runde, nun wo man die Spielmechanik etwas besser versteht, wäre durchaus sinnvoll.
    Grade wenn man nun als Held weiß wo man sich am besten fortbewegen kann, dass man mehr Questen aufdecken muss um den Charakter stärker zu machen, dass Sauron wohl doch zu ärgern ist wenn man seinen SChattenpool schröpft… All dies könnte eine gewisse Strategie ins Spiel bringen, die bei der ersten Partie so vermisst wurde.
    Also dann, von mir aus gerne auf ein Neues!