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Mehr übers Spiele erfinden

Keiner meiner Artikel in diesem Blog wurde so oft aufgerufen wie „Spiele erfinden„. Was vermutlich daran liegt, dass Google den tatsächlich als ersten Hit angibt, wenn man „Spiele erfinden“ in die beliebte Suchmaschine eingibt. Wie auch immer, gerade kam wieder ein Kommentar hinzu, „Dokka“ möchte Spiele erfinden, weiß aber nicht wie. Nunja, konkretere Fragen sind immer einfacher zu beantworten, aber ich versuchs mal.

Als erstes ist die Spielidee…

Und das kann eine Idee für einen Mechanismus oder für ein Thema sein. Es kann aber auch sein, dass man von einem Spiel geträumt hat (hat meistens den Nachteil, dass Träume nicht dazu neigen kohärente Regeln zu entwickeln) oder ein Titel den man cool findet („Kudos“ klingt nach einem Spiel!) oder man möchte das Computerspiel „Loom“ als Brettspiel umsetzen. Ich hatte schon so manche Idee beim Überfliegen von Messeberichten oder Webseiten. Wenn man kurz hintereinander was über Age of Steam und über Prophecy liest, kommt einem (oder zumindest mir) die Idee Fantasy und Eisenbahnbau zu verbinden.

Obs klappt ist erst einmal irrelevant: Ich schreib mir alles auf, was mir so einfällt und habe zu diesem Zweck eine riesige Datei, bei der alles vom fertig ausgearbeitetem Spiel, bis zum schnöden Titelvorschlag reinkommt (Schön ist auch meine Sammlung von potentiellen Spielplänen – so gibt es z.B. eine kreisrunde Stadt in Israel, welche die Inspiration für De Ontembare Stad gewesen sein könnte).

Und was kommt dann?

Das weitere Vorgehen ist kritisch und höchst individuell. Ich überlege in einem Brainstorming was mir zur Idee alles einfällt und wie man die so umsetzen könnte. Und schreib alles auf. Ob ich da Bottom-Top oder Top-Bottom vorgehe hängt von der Idee ab, obgleich ich eher ein Bottom-Top-Mann bin. Nicht selten gehe ich auch meine Liste aus Spielmechanismen durch, um zu sehen, ob ich was passendes finde. So eine Liste zu haben ist oft hilfreich, aber nicht notwendig. Ich fange normalerweise erst mit dem Basteln an, wenn ich alles in meinem Kopf durchgeplant habe. Für ein paar Regeln habe ich oft Alternativen überlegt, denn natürlich kann man nicht alles „im Kopf“ durchplanen und muss ausprobieren. Wenns geht, mache ich vorher erst ein paar Skizzen, mit denen ich gegen mich selbst spiele. Einige bekannten von mir sind da bastelfreundlicher und basteln quasi von der ersten Minute an. Denn dann merkt man schon oft, ob was klappen kann oder nicht. Und man muss sich entscheiden -„Drei Siegpunkte für die Kapelle oder 2?“ Aber keine Bange, das alles kann (und wird) später wieder geändert werden. Erstmal muss man „Pi mal Daumen“ bestimmte Sachen festlegen. Spieleerfinden ist eben nichts für Entscheidungsneutoriker!

Aber wann mans auch immer macht: Wenn möglich sollte man das Spiel gegen sich selbst spielen. Einfach deswegen weil man dann schnell feststellt, welche Abläufe noch unklar sind, ob bestimmte Sachen überhaupt funktionieren oder ob man am Anfang z.B. überhaupt eine Wahlmöglichkeit hat. Dies ist die „heiße Phase“ der Spieleerfindung. Hier wird aus der Idee das Spiel herausgezimmert und wenn man tatsächlich mit einem funktionierenden Spiel aus dieser Phase herausgeht hat man was geleistet. Und fühlt sich auch so. Doch das Gefühl ist trügerisch, denn jetzt folgt

Die erbarmungslose Testphase

Bereits der erste Test zeigt in der Regel einige Schwächen auf. Wenn nicht, dann: Glückwunsch! Aber es müssen dennoch weitere Partien – insbesondere mit anderen Spielerzahlen und wenn irgend möglich auch anderen Spielern – folgen. Was viele überrascht: Das Testen von Spielen ist erlernbar! Erfahrene Tester können gezieltere Kritik abgeben und bessere Lösungsvorschläge machen. Auch will das „kritisieren“ an sich (Was ist gut, was schlecht?) geübt sein. Und schließlich muss man auch den Umgang mit der Kritik üben: Was muss ich wirklich beachten und was ist vielleicht nicht ganz so wichtig? Kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Lohnt es sich überhaupt das Projekt weiterzuführen oder führt es letztlich in eine Sackgasse (= ein Spiel das viel Arbeit gekostet hat, aber letztlich nichts dolles ist)? Auch andere Fragen tun sich im Laufe der Testphase auf: Wo kann man ggf. am Material sparen? Ist alles funktional? Ein Prototyp muss nicht gut aussehen (aber es hilft), aber funktional sollte er schon sein. Ist die Startphase zu langatmig? Hat man von Anfang an was zu entscheiden, oder macht man über längere Spielphasen immer dasselbe? Ein Merksatz ist auch „Offensichtliche Entscheidungen sind keine Entscheidungen“ – und Entscheidungsvielfalt ist das Salz in der Spielesuppe!

Und wenn alles fertig ist?

Sollte man tatsächlich ein Spiel fertig haben, dass alle (oder fast alle) Testspieler überzeugt, dass nicht zu materialaufwendig und nicht zu exotisch (überlange Spieldauer, sehr komplex z.B.) ist und man träumt von einer Veröffentlichung, dann sollte man sich überlegen zu welchem Verlag das Spiel am ehesten passt. Es lohnt sich nicht, blind 30 Verlage anzuschreiben. Lieber gezielt 1 oder 2 Verlage rauspicken, denen eine Email schreiben mit den wichtigsten Daten und abwarten was passiert. Kommt keine Antwort innerhalb einer Woche (innerhalb von Messezeiten kanns auch mal länger dauern), kann man auch mal nachfragen oder ggf. einen anderen Verlag anschreiben.

Und nein, man muss keine Angst vor Ideendiebstahl haben. Das kommt bei professionellen Verlagen praktisch nicht vor (mir sind lediglich 1-2 Fälle aus den letzten 15 Jahren bekannt). Und durch zahlreiches Testspielen kann man im Zweifelsfall auch immer belegen, dass man derhenige war, der ein Spiel zuerst entwickelt hat.

Wenns optimal läuft fordert der Verlag einen Prototypen an. Und jetzt hat man eine geschätzte 5%-Chance auf eine Veröffentlichung. Mehr nicht. Man muss sich klar sein, dass auf eine Veröffentlichung im Schnitt 20 Absagen kommen. Wenn nicht mehr. Gut ist es, wenn der Verlag Feedback abgibt (Besonders Alea und Phalanx sind mir da positiv aufgefallen, aber auch andere Verlage geben Feedback), dann kann man nochmal dran arbeiten. Manchmal ist ein Verlag auch interessiert und verlangt Änderungen – auch das ist eine Herausforderung, indbesondere wenn man sich mit dem etsprechendem Proto schon länger nicht mehr beschäftigt hat.

So, das wars in aller Kürze. Konkrete Fragen beantworte ich gerne. Einige lesenswerte Spielgeschichten gibt es hier (auf englisch). Berliner Spieleautorentreffen sind zudem Montags in die Spielwiese eingeladen (wobei wir uns nicht jeden Montag treffen, am besten vorher nachfragen).

ciao

Peer

Peer Sylvester
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4 Kommentare

  • Ich habe eine Frage zum Spiel erfinden ich bin dabei ein Spiel zu Planen es wir ein ziemlich großes Spiel MMORPG um genau zu sein ich habe aber kein Programmiererwissen und kein Programm das Spiel zu erstellen ich suche ein geignetes Programm wofür mann kein Programmiererwissen braucht kannst du mir dabei weiter helfen? Schreib mir bitte bei facebook unter Berndt Moritz die antwort. Pls!!!

  • Hi Peer,
    habe ein Spiel erfunden … naja, überarbeitet und kombiniert. Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich bei einer Veröffentlichung irgendwelche Rechte verletze. Die Basis ist RISIKO, nur sehr viel komplexer. Schiffe, andere/mehr Kontinente, andere Spielziele, Rohstoffe, Ereigniskarten. Lässt sich super spielen. Was rätst Du mir?

  • Prinzipiell ist es schwierig Spiele an den Mann zu bringen, die auf anderen Spielen basieren. Andererseits hängt es natürlich auch schwer davon wie neu und eigenständig die ganze Geschichte ist – und das kann ich naturgemäß von hier nicht einschätzen ;-)
    Zweitens haben es Kriegsspiele in Deutschland sehr schwer. Wenn Du also an eine Veröffentlichung denkst, solltest du dich an eine Regelübersetzung machen…
    Primär würde ich (z.B. via Internet oder einem Spieleclub oder -treffen) das Spiel mal einer Runde vorstellen, die weder Dich noch das Spiel kennt. Dann kann die auch besser sehen, obs mehr Risiko ist oder eher eigenständig. Auch für eine neutrale Einschätzung ists ein erster Schritt. Ist das aus dem Weg, gibt es diverse amerikanische Verlage, die Interesse haben könnten.
    Alterativ kannst du dich auch an Whitecastle wenden, den Agenturservice, der mit Hasbro zusammenarbeit. Richtig empfehlen kann ich das aber nicht und zwar weil
    a) kostet das einiges
    b) Hast du im Falle einer Veröffentlichung nicht die Möglichkeit den Vertag zwischen der Agentur und Hasbro einzusehen.
    c) Wird es vermutlich auch nichts nützen, den Risikovarianten wie Godstorm und Co wurden bislang immer „in House“ entwickelt.
    Aber erwähnen wollte ich die Möglichkeit schon.
    ciao
    peer