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Immer diese Enscheidungen!

Bevor ich mit dem eigentlichen Thema beginne, eine kleine Klarstellung: Ich habe hier das K-Wort benutzt, was mir einige Emails eingebracht habe. Mir wurde (sinngemäß) gesagt: „Es sei doch nichts dabei, wenn man mit seinen Spielen Geld verdienen möchte!“.

Genau. Das ist der Punkt meiner Aussage! So wie ich das sehe, geht das Spieleautorenspektrum vom reinen Dienstleister (immer nur gucken, dass die Spiele zum Verlag passen, ohne persönliche Präferenzen Bücher und Filme zum Spiel umbauen, Erweiterungen und „Spinn-Offs“ zu bestehenden Spielen machen) hin zum reinen, abgehobenen Künstler (Dem es egal was andere von seinem Spiel halten und der auch gar nicht vorhat, seine Spiele irgenwo anzubieten). Ich sehe selbst, mich in diesem Spektrum etwas weiter hin beim Künstler, da ich bei der Spieleentwicklung doch erstmal von der Frage ausgehe „Was interessiert mich für eine Art Spiel?“ und erst mit dem fertigen Produkt sehe, ob ich das irgendwo unterkriege.  Das heißt aber nicht, dass ich die anderen Arten von Spieleautoren geringer schätzen würde. Im Gegenteil: Mir ging es darum, dass für alle Arten von Spieleautoren Platz in der Szene (und in der SAZ) sein muss.

Aber zum eigentlichen Thema: Ich habe eine interessante Aussage von Chris Farell (einem amerikanischen Blogger und Rezensenten) gefunden:

(sinngemäß übersetzt) „Musik kreiert Emotionen durch Musik. Literatur ist die Kunst der Worte. Malerei ist visuelle Kunst. Spiele verursachen Emotionen durch Entscheidungen. Alles was Leute an bestimmten Spielen kritisieren, kann auf Probleme mit dem Treffen von Entscheidungen  zurückgeführt werden (Zu Hoher Glücksfaktor = Meine Entscheidungen haben zu wenig Einfluss; Zu viel Downtime =Ich kann zu selten Entscheidungen treffen, Zu grüblerisch = Die Entscheidungen sind zu schwierig, Das Thema passt nicht = Die Entscheidungen sind thematisch unschlüssig).“

Ein interessanter Gedankengang, der imho zudem zumindest für die meisten Spiele zutrifft!Nicht jedoch für alle: Geschicklichkeits- und Hektikspiele oder Quiz bieten in der Regel weniger oder keine Entscheidungen, ohne dass sie dadurch weniger Wert wären.

Schön ist aber, dass sich aus der Aussage fast automatisch eine Checkliste für Prototypen (oder für zu rezensierende Spiele) entsteht:

1.) Bietet das Spiel Entscheidungsmöglichkeiten? Hier muss natürlich ein „Ja!“ stehen.  Alles andere ist ein Automatismus, kein Spiel (übrigens auch nicht im urheberrechtlichem Sinne).

2.) Handelt es sich um „echte“ Entscheidungen? Dürften die meisten Spiele die erste Frage überstehen, sieht es hier schon düsterer aus. Früher hatten wir in unseren Spielerunden den Begriff „Pseudo-Taktik“, wenn ein Spiel zwar theoretisch mehrere Spielwege anbot, einer davon aber offensichtlich klar besser war als die anderen.  Entscheidungen, die auf der Hand liegen sind aber keine Entscheidungen, sondern nur Pseudo-Entscheidungen. Insofern ist es eine der Aufgaben des Autoren dafür zu sorgen, dass mehrere Wege gleichberechtigt sind oder zumindest so zu wählen, dass nicht erkennbar ist, welcher Weg der beste ist.

3.) Ist die Anzahl der Entscheidung richtig gewählt? Ein Spiel dass immer nur zwei Möglichkeiten offen lässt verläuft schnell repetitiv bzw. restriktiv. Auch werden sich weitere Partien sehr ähneln und die Spieler werden alle sehr ähnliche Wege beschreiten. Das führt schnell zu Langeweile. Umgekehrt führen zu viele Möglichkeiten irgendwann in die Unübersichtlichkeit.

4.) Passen Art und Anzahl der Entscheidungen zum Spiel und zur Zielgruppe? Vielspieler mögen gerne knifflige Entscheidungen treffen. Je anspruchsvoller ein Spiel sein soll, desto härter müssen die Entscheidungen sein und desto mehr Möglichkeiten können berücksichtigt werden. Wenigspieler wollen dagegen oft „nichts wo man nachdenken muss“, hier sollten die Entscheidungen weniger weitreichend sein und falsche Entscheidungen dürfen leichter wieder korrigiert werden. Zudem sollten die Möglichkeiten überschaubarer sein, während man bei „Grübelspielen“ durchaus auch Möglichkeiten haben muss, die man nicht sofort sieht. Auch die Spieldauer will berücksichtigt werden: Entscheidungen bei epischen Spielen sollten auch weitreichendere Folgen haben als Entscheidungen bei Absackerspielen. Wenn ein Spiel 6 Stunden dauert, jede Entscheidung aber nur Einfluss auf das unmittelbar bevorstehende hat, ist so ein Spiel schlichtweg zu lang.

5.) Haben die Spieler die Möglichkeit ihre Entscheidung sinnvoll zu treffen? Natürlich müssen die Spieler grob abschätzen können, was für Folgen ihre Entscheidung hat – sonst wirds beliebige Pseudo-Taktik. Das Ausmaß des Absehens hängt allerdings vom Spiel ab – siehe Punkt 4.

Ich für meinen Teil entscheide mich jetzt dafür, dieses Post zu beenden… Aber nicht bevor ich festgestellt habe, dass dieses Spielbar-log ins dritte Jahr geht. Man, wie die Zeit vergeht!

ciao

peer

Peer Sylvester
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