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Ohne viel Federlesen

Das Ergebnis der alljährlichen Umfrage, die sich hochtrabend „Spielepreis“ nennt, liegt vor und siehe da: Es gibt doch noch Überraschungen:

  1. AGRICOLA von Uwe Rosenberg (Lookout Games) 4497
  2. STONE AGE von Michael Tummelhofer (Hans im Glück) 3452
  3. CUBA von Michael Rieneck und Stefan Stadler (eggertspiele) 1645
  4. IM JAHR DES DRACHEN von Stefan Feld (alea/Ravensburger) 1138
  5. TRIBUN von Karl-Heinz Schmiel (Heidelberger Spieleverlag/MOSKITO-Spiele) 1033
  6. HAMBURGUM von Walther „Mac“ Gerdts (eggertspiele) 993
  7. GALAXY TRUCKER von Vlaada Chvatil (Czech Games Edition) 969
  8. KELTIS von Dr. Reiner Knizia (Kosmos) 863
  9. WIE VERHEXT! von Andreas Pelikan (alea/Ravensburger) 861
  10. METROPOLYS von Sébastien Pauchon (Ystari) 853

Cuba hätte ich nicht so hoch erwartet. Die Stimmen im Forum waren schließlich eher mäßig begeistert, man hat einfach mehr von den anderen Spielen gelesen – Rein vom Forumsfeedback her hätte ich Im Jahr des Drachen auf Platz 3 getippt. Keltis auf Platz 8 fährt den schlechtesten Platz eines SdJs ein, seit die Umfrage sich auf aktuelle Spiele konzentriert. Das liegt zum Teil am Spiel selbst (das kein Überhammer ist und auch kein Vielspielerspiel), zum anderen aber auch an der Konkurrenz, die dieses Jahr ja sehr stark war. Letztlich beglückwünsche ich die Verlage und Autoren zu ihrem Ergebnis – Für mich hat der DSP allerdings eher einen geringen Stellenwert.

Interessanter finde ich den Preisträger der Essener Feder, die hat nämlich Jamaica gewonnen. Wie ich schon in der Rezension schrieb: Das Konzept ist originell, aber sie hat einige Mangel in der Ausführung, namentlich: Sie ist zu unhandlich und die Struktur erschwert das Nachschlagen (Ähnliches gilt übrigens auch für die in Spielerkreisen hochgelobte Regel zu Galaxy Trucker: Witzig geschrieben, aber gezieltes Nachschlagen ist kaum möglich). Interessanterweise wird der Preisträger der Feder in Spielerkreisen überhaupt nicht diskutiert – Dabei dürfte der Feder unterm Strich für das Hobby mehr Relevanz beikommen als oben zitierter Spielepreis. Nur wenn die Regeln verständlich sind und Lust auf das Spiel zu wecken vermögen, kann ein Spiel auf dem Markt Erfolg haben. In sofern macht es Sinn erfolgreiche Regelkonzepte auszuzeichnen. Doch was weiß man über die Essener Feder? Macht die Jury eine gute Arbeit? Und wie passt die Jamaica-Regel ins Bild?

Die Kriterien, welche die Jury der Preisvergabe zugrunde liegt sind:

  1. Überzeugendes und gut strukturiertes Regelkonzept
  2. ansprechende grafische Gesamtgestaltung
  3. klar verständlicher Text
  4. gut leserliches Schriftbild
  5. lücken-, fehlerlose und eindeutige Erklärung
  6. richtige und vollständige Grafiken, als Verweise auf den Text
  7. die Regel soll Lust auf das Spiel machen und die Atmosphäre wiedergeben

Die Punkte 3, 4 , 5 ud 6 sollten selbstverständlich sein.  Die Jamaica-Regel überzeugt natürlich durch ihr innovatives und Athmosphäre erzeugenden Regelkonzept. Und es kommt ja auch alles in der Regel vor (Punkt 5 ist damit erfüllt.) Eine gute „Gliederung“ fehlt aber nicht nur bei der Jamaicaregel sondern auch bei den Kriterien. Und wenn man genau überlegt, sollte das Konzept auch mehr zählen als die Ausführung: Durch den Preisträger sollen andere Verlage angeregt werden ein ähnliches Konzept zu verwenden. Und dann machen die es dann hoffentlich besser.

Leider hat sich die Jury in der Vergangenheit nicht immer an dieses Credo gehalten und oft biedere, aber vollständige Regeln ausgezeichnet. Ein Beispiel war die Regel zu 5th Avenue. Klar, ist das Alea-Regelkonzept gut und erprobt und hat zu Recht auch 2000 (Tadsch Mahal) und 2002 gewonnen (Letzteres für Puerto Rico ein recht schwierig zu erklärendes Spiel). Aber 2004 war das Konzept nicht mehr neu. Und bei 5th Avenue fehlte ein bisschen „der Funke“ in der Regel, der dem Spieler zeigt, wie alles zusammenpasst. Zudem wurde ein bestimmter Regelfehler recht oft begangen. Das stand zwar explizit in der Regel, aber anscheindend nicht so eingebunden, dass der Fehler vermieden werden konnte.

(Anmerkung: Persönlich finde ich die Regeln von Queen Games am besten: Große Schrift, gut strukturiert, farbige Untermalungen -gut! Aber diese Meinung ist nicht unumstritten. Außerdem sind Queen games im Schnitt leichter zu erklären als Alea-Spiele)

Richtig gute Preisträger der Vergangenheit waren dagegen Piranha Pedro (Regel als Comic, der in das Spiel einführt – geht natürlich nur bei einfachen Spielen) und Siedler von Catan (Einstiegsblatt ohne das die Siedler kaum den Erfolg gehabt hätten, die sie hatten).

Unterm Strich verdient die Arbeit der Jury der Essener Feder deutlich mehr Beachtung, als sie erhält. Sie macht eine wichtige Arbeit. Und vor allem verdient sie eine Diskussion: Ist es wichtiger neuartige Konzepte, auch wenn diese noch nicht ausgereift sind, auszuzeichnen oder sollte sie lieber den Preis an vollständige, gut und strukturiert verfasste  Regeln vergeben, die nach dem „klassischen Muster“ gestrickt sind? Beide Ansätze haben ihre Berechtigung; Ersteres fördert neue Konzepte, letzteres Qualitätsverbesserung und die Diskussion wie eine Regel aufgebaut sein sollte, um verständlich und praktisch zu sein. Beide haben ihre Nachteile: Neue Konzepte müssen nicht deshalb besser sein, weil sie neu sind. Und wenn sich Spielregeln nicht weiterentwicklen, können Spiele wie die Siedler ihr Potential nicht erfüllen – Nur „Gut strukturiert“ reicht eben manchmal nicht. Ich habe jedenfalls diese Frage noch nicht für mich eindeutig entscheiden können!

Zum Schluß noch ein Hinweis: Meine Rezi zum Zug um Zug Kartenspiel ist online. Garantiert ohne Regeldiskussionen! Versprochen!

Und ich muss noch auf dieses englischsprachige Blog hinweisen: Es ist von Jeff Allers, dem Amerikaner meiner Berliner Autorenrunde und liefert ausführliche Beschreibungen wie unsere Prototypen (u.a. auch König von Siam) zu fertigen Spielen wurden.

ciao

peer

Peer Sylvester
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