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Erste Eindrücke aus einer Zinnmine

Martin Wallace hat sich den professionellen Spieleautoren angeschlossen – Er will jetzt also von seinem Handwerk leben. Und damit das gut geht hat er die „Treefrog„-Reihe ins Leben gerufen. Hier will er 4 Spiele pro Jahr veröffentlichen, die besseres Material (Holz!) aufweisen sollen als seine bisherigen Warfrogspiele. Auch sollen i.A. die Spieldauern etwas kürzer und die Spiele generell etwas einstiegsfreundlicher werden.

Erster Vertreter ist Tinners Trail. Hier geht es um das Ausheben von Minen in Cornwall. Diese Gegend Englands ist (oder eher: war) bekannt für die Zinn- und Kupferminen die dort überall wortwörtlich aus dem Boden gestampft worden sind. Das größte Problem beim Bergbau ist das Grundwasser: Je länger man eine Mine fördern will, desto tiefer muss es gehen und je tiefer es geht, desto mehr Grundwasser muss abgepumpt werden. Tauchende Minenarbeiter sind anscheinend nicht so praktikabel. Aus diesem Grund ist es nicht so verwunderlich, dass Wasser bei Tinners Trail eine sehr wesentliche Rolle spielt: Die Menge des Wassers (angezeigt durch blaue Würfel) einer Mine bestimmt den Preis für eine Förderung. Nach jeder Förderung kommt ein Würfel dazu und so wird das Ausquetschen einer Mine stetig teurer. Ein schöner und eleganter Mechanismus! Natürlich ist es nun nicht allzu verwunderlich dass es im Spiel im wesentlichen um Dreierlei geht: Um ein gutes Auge bei dem Minenerwerb (Minen sind gekennzeichnet durch drei Charakteristika: Menge Zinn, Menge Kupfer, Anfangsmenge Grundwasser), um eine Erhöhung der Fördermenge (Wenn man möglichst viel auf einmal fördern kann, kann man die Mine leer räumen bevor die Kosten durch das Grundwasser explodieren) und natürlich um das Abpumpen des Grundwassers. Optimal ist natürlich eine zunächst wasserfreie Mine, ist die Förderung da doch umsonst!

Der Hauptteil der Runde ist genau aus diesem Grunde auch dem Erwerb von Minen und Zusatzmaterial (vor allem zum Abpumpen des Wassers und Erhöhung der Förderkapazität) sowie dem Fördern selbst gewidmet. Dabei gibt es -wie bei Jenseits von Theben oder Neuland – ein Zeitprinzip: Jede Aktion kostet 1-3 Zeiteinheiten und wer in der laufenden Runde bislang am wenigsten Zeit benötigt hat ist der aktiver Spieler. Die verschiedenen Möglichkeiten die eigene Mine aufzuwerten  sind jeweils kostenlos, aber natürlich in ihrer Menge begrenzt. Minen werden dagegen mit Geld versteigert. Da man ohne Minen nichts sinnvolles machen kann beginnt jedes Spiel mit einer Reihe von Versteigerungen, bis jeder mindestens eine Mine erworben hat. Das ist ein kleiner Kritikpunkt, denn m.E. hätte man diese Anfangsversteigerungen auch in den Startaufbau integrieren können. Aber seis drum: Den Wert einer Mine einzuschätzen ist natürlich einer der wesentlichen Schlüssel zum Spiel. Geld ist hier einigermassen knapp und da man es auch zum Fördern benötigt wird man gerade bei Beginn von der Möglichkeit Gebrauch machen gegen Abgabe einer Zeiteinheit eine Geldeinheit zu bekommen (Im Spiel liebevoll „Pastetenverkauf“ genannt). Ob es sich überhaupt lohnt zu fördern hängt nicht zuletzt von den aktuellen Kupfer- und Zinnpreisen ab und die werden bei Rundenbeginn zufällig (per Würfel) bestimmt. Kupfer fluktuiert dabei stärker, ist aber potentiell auch mehr wert als Zinn. Gemeinerweise muss man alles geförderte vor Rundenende verkaufen, so dass man den Einsatz und Fördermenge auch von den Rohstoffpreise abhängig machen muss. Bei meiner bislang einzigen Partie (dessen Ersteindruck ich hier poste) war immer ein Metall im oberen Preissegment angesiedelt – ich kann mir gut vorstellen, dass Runden in denen beide Preise im Keller sind, recht ereignislos verlaufen könnten. Ansonsten stört mich das Glücksmoment hier nicht – Es ist eher ein Zufalls- als ein Glücksfaktor und die Frage „Mehr fördern oder liebe auf die nächste Runde warten“ ist durchaus eine interessante.

Vor allem weil mit dem Geld Siegpunkte gekauft werden und man in früheren Runden deutlich mehr fürs gleiche Geld bekommt als später. Ich mag Siegpunktkaufspiele, denn sie erfordern für ein interessantes Dilemma: Mehr Geld für Siegpunkte ausgeben oder lieber etwas mehr behalten um auch nächste Runde noch flüssig zu sein?

Ingesamt ist Tinners Trail ein interssantes Wirtschaftsspiel. Sicherlich nicht so vielschichtig wie Brass oder Age of Steam, aber dafür deutlich schneller erklärt und gespielt (90 MInuten zu viert). Mein erster Eindruck ist sehr positiv und ich würde es gerne noch häufiger spielen. Dann wird sich auch zeigen wie es mit der Langzeitmotivation aussieht. Da kann ich mir nämlich vorstellen, dass Partien -Zufallsfaktoren zum trotz – doch recht gleichförmig verlaufen könnten. Das nehmen der Minenausbauten verlief schon bei unserer einzigen Partie in den späteren Runden etwas stereotyp (etwas was auch Chris Farell angemerkt hat). Interessantester Aspekt ist aber der Minenkauf und der variiert tatsächlich von Partie zu Partie. Es gibt aber zwei klare Kritikpunkte: Zum einen ist die Geldleiste völlig fehlkonstruiert: Sie gibt die Vielfachen von 20 an, statt Zehner und Einer und das sorgt für unnötige Rechnerei. Zum zweiten gibt es zwar eine Regel nach der nur maximal 2x pro Runde für denselbe Preis Siegpunkte gekauft werden können, aber sie kommt überhaupt nicht zum tragen!  Es ist nämlich wuppe ob ich auf einmal 50 Pfund ausgebe oder einmal 30 und dann nochmal 20. Einzig und allein bei den Minimalbeträgen könnte es u.U. mal knapp werden, aber so richtig durchdacht scheint das nicht zu sein.  Aber: Was solls! Das Spiel geht daran nicht zugrunde.

Als nächstes geplant (für September, Vorbestellungen ab August möglich) ist After the Flood, ein reines Dreipersonenspiel, dass sich thematisch mit Mesopotamien befasst. Es soll die Komplexität eines Brass haben, aber ohne die ganzen Ausnahmeregeln auskommen. Erfahrene Spiele sollen mit 2 Stunden Spieldauer auskommen können, wobei Anfänger mindestens 3 Stunden einplanen sollten. Für mich ist das etwas schade, denn Spiele mit einer 3-Stunden-Spieldauer kommen nur noch recht selten auf den Tisch. Mein Trost: Martin möchte in Zukunft häufiger reine Dreispielerspiele rausbringen, weil er meint, dass viele Multiplayerspiele zu dritt nicht so gut funktionieren.

Zu Essen kommt dann Steel driver, ein neues Eisenbahnwirtschaftsspiel, dass komplexitätsmäßig wohl eher in Tinners Trail– Regionen angesiedelt ist. Der Gag hier ist dass nicht der Mehrteilseigner einer Gesellschaft agiert sondern der Spieler der zuletzt eine Aktie gekauft hat. Zudem steuert der Kaufpreis direkt die Aktionsmöglichkeiten, die der Spieler hat. Wer also billig an Aktien kommt, kann damit nicht viel anfangen. 3-6 Spieler dürfen hier mitmachen. Bin ich mir bei After the Flood noch unsicher, steht Steel Driver schon einmal auf meiner Essen-Einkaufsliste.

Fürs neue Jahr angekündigt ist dann Waterloo ein 2-Spieler-Wargame und damit wohl ein „Pass“ für mich (Ich spiele eigentlich nie Zweier und wenn dann keine die wie Waterloo 3-4 Stunden beanspruchen). Das Szenario ist zwar nicht das originellste, dafür aber der Kernmechanismus: Der Spieler der an der Reihe ist weiß nicht wie viele Aktionen ihm zur Verfügung stehen! Das weiß nur sein Gegner, der zum entsprechenden Zeitpunkt unterbricht. Für mich als Spieleautor eine sehr verlockende Idee, die ich erwarte in Zukunft auch in anderen Spielen verwustet zu finden!

ciao

peer

Peer Sylvester
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3 Kommentare

  • Hey Peer,

    auch mir gefällt TT sehr gut.
    Da Dein Bericht auf nur einer Partie beruht ein paar Anmerkungen:

    Klar werden am Anfang primär Minen versteigert. Aber gerade wer als Letzter noch keine Mine hat, hat andere Optionen. Er hat am meisten Geld und kann sich sicher sein, die Mine zu bekommen, die er will. Ich nehme in so einem Fall gerne zuerst einen Arbeiter oder eine Wasserpumpe und platziere/nutze ihn/es in der Region meiner Wahl. Erst dann ersteiger ich die Mine. Da die Aktion weniger Zeitpunkte kostet bin ich ja 2x nacheinander dran.

    Das Nehmen der Ausbauten hat in den ersten beiden Runden etwas von Routine, stimmt. Aber wenn die Ausbauten weg sind, beginnt das Taktieren um das Passen. Sehr gelungen, wie ich finde. Wer früh passt hat die Möglichkeit in der Runde darauf den Tunnel zu nehmen etc., aber dafür ist er aus dem Rennen, was das billige Ersteigern von weiteren Minen angeht. Auch hier gilt für mich: Sehr gelungenes Spielelement.

    Das nur 2 Klötzchen pro Feld SP kaufen können, halte ich nicht für einen Designfehler. Es entfaltet manchmal die Möglichkeit. jemand SP zu verbauen,
    manchmal nicht. Ich persönlich kann auch bis 20 zählen, aber die Erfahrung gibt Dir recht, es sind doch einige, die die Einkommensleiste ungewöhnlich finden.

    Gruß
    Frank

  • @Frank: Das mit den 2 Klötzchen pro Feld meinte peer ganz anders. Es ist nicht schlimm wenn z.B. das Feld, das 50 kostet mit 2 Klötzchen schon voll ist und ich da nicht mehr hin kann. Der Designfehler liegt dann dort, daß ich einfach auf 45 + 5 gehe (oder ähnlich), was in Kosten UND Siegpunkten gleichbedeutend ist.

    Ansonsten: 1x gespielt und für gut empfunden – gerne wieder