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So spielt die Welt – Update

Mein Buch „So spielt die Welt“ verkauft sich leider nicht so gut wie erhofft. Das ist Pech und deswegen wird es wohl auch leider keinen Nachfolger geben. Aber ich kann wenigstens dieses Blog nutzen, um das Buch virtuell unbegrenzt zu erweitern.

Außerdem kann ich Fehler korrigieren. Zwei Tippfehler könnten einem bisherigen Spielvergnügen im Wege gestanden haben:

Bei meinem Spiel Aloi Mak hat sich in die Skizze ein Fehler eingeschlichen (S. 71): Der untere Stand auf dem Feld 6 verkauft natürlich Schwein und nicht Fisch – Sollte aus dem Text heraus auch eigentlich klar gewesen sein.

Blöder ist der Fehler auf S. 129 bei Michael Schachts Revolte: Beim Material muss der vorletzte Satz heißen „4 und 9 bleiben unmarkiert“. Damit sollte die Materialvorbereitung klar sein.

Soweit das „Troubleshooting“. Viel interessanter ist das kommende: Auf der letzten Messe war (gut versteckt in dem Bereich zwischen Halle 4 und einer unbenutzten Halle) ein neuer finnischer Verlag zu finden: Tuonela Productions. Aus offenkundigen Gründen fehlt dieser Verlag in meinem Buch (es gab ihn schlichtweg noch nicht). Die Informationen über den Verlag möchte ich gerne hier nachliefern und habe zu diesem Zweck ein Interview mit dem Kopf von Tuonela geführt, mit Jussi Autio. Dieser stellte sich als sehr redseliger Mensch (im positiven Sinne) heraus, der auf ein paar wenige Fragen derart ansprang, dass ich hier seine Antworten fast ungekürzt wiedergeben möchte:

F: Wie ist Tuonela entstanden? Und was bedeutet der Name?

A: Tuonela Productions begann vor etwa 3 Jahren, als ich mit der Arbeit an dem Modern Society  -Brettspiel begann. Ich habe von einem Einstieg in die Spieleindustrie geträumt, seitdem das Computerspiel King of the dragon pass 1999 erschienen ist. Dieses Spiel veränderte mein Leben, denn es zeigte wieviel besser Spiele sein können und wie man mit einem einzigen Spiel die Leute bewegen kann: Leute nehmen unterschiedliche Dinge wahr und machen unterschiedliche Erfahrungen auf eine Art und Weise, die mit Filmen oder Literatur nicht möglich ist. Ungezählte Stunden, die ich mit King of the dragon pass verbrachte, haben mir geholfen zu verstehen, wie man eine Erzählstruktur aufbaut und Inhalt in Spielen rüberbringt.

Der Traum war also da und vor drei Jahren dachte ich während meines Chinesischunterrichts darüber nach, wie unterschiedlich Gesellschaften sind und entwickelte dabei langsam die Mechanismen von Modern Society. Den Prototyp hab ich dann in einem Brettspielclub, zu dem ich regelmäßig ging, getestet und plötzlich fragten mich alle, warum ich ein Spiel entwickeln würde und wie meine Zukunftspläne aussehen würden. Daraufhin stellte ich die Entwicklung von Modern Society erst einmal ein, stellte Geschäftspläne auf  und entwickelte Story engine, aus dem später unser (Software-)Hauptprodukt Tentale wurde. Im Dezember 2005 stiegen wir im ELVI Projekt ein.

ELVI ist ein Projekt das von verschiedenen Quellen, darunter die EU, gespeist wird und von der Universität von Oulu ins Leben gerufen wurde. Ziel ist der Aufbau einer Computerspielindustrie hier in Oulu. Als wir 2005 angefangen haben gab es nur eine andere Firma, heute sind es deren 11. Von Anfang an wurden Berater aus der Who-is-Who der Computerspielindustrie herangezogen. Unser ungewöhnlicher Ansatz wurde oft in Frage gestellt, aber auch oft verteidigt. Unser schönster Moment war als Ernest Adams uns – eine handvoll Studenten! – in einer Vorlesung als Beispiel nannte und meinte, wir hätten großes Potential, die emotinale Bindung an ein Videospiel zu erhöhen. Um die ELVI-Förderung erhalten zu können, gründeten wir am 6.11.2006 Tuonela Productions. Während unseres Studiums blieb es erst einmal eine Schreibtischfirma, aber seit etwa einem halben Jahr arbeiten wir dort ernsthaft an der Erfüllung unserer Träume.

Ich habe jetzt viel über unsere Computerspielseite geredet und die ist es auch, wo die meisten Kosten hinwandern. Die Brettspielentwicklung liegt hauptsächlich auf meinen Schultern und auf denen der Illustratoren, aber sie sind dennoch für uns überlebenswichtig.

Der Name Tuonela ist voller Symbolismen. In der finnischen Mythologie ist Tuonela die Heimat der Toten. Ein Ort, den Helden und Zauberer gerne besuchen würden, denn es ist ein Ort des Wissens. Selbst in der christlichen Zeit versuchten Saami und Schamen durch Trance Tuonela zu erreichen und Wissen und Weisheit mitzbringen. Der Weg nach Tuonela führte über den Fluss Tuonela, auf dem ein heiliger schwarzer Schwan leben soll. Wer den Schwan bedroht, dem droht ein schreckliches Schicksal (daher der schwarze Schwan in unserem Logo). Wir versuchen mit unserem Namen also auszudrücken, dass wir Spiele aus einer anderen Welt machen. Aber wir wissen auch, dass wir ein großes Risiko eingehen und alle in Tuonela enden können…

F: Was ist die Philosophie hinter euren Spielen – Was darf man von euren Spielen erwarten?
A: Unsere Philosophie ist, dass die Spiele dem Spieler einen Aspekt des Lebens näher bringen wollen. Was man nicht von uns erwarten sollte, sind vollkommen abstrakte Spiele, denn Spieleentwicklung gehört für mich zur Hälfte dem Thema und zur anderen Hälfte der Frage, wie dieses Thema im Spiel durch Mechanismen gut umgesetzt werden kann. Ich würde es hassen, wenn ein Verleger das Thema eines unserer Spiele ändern würde, denn das Thema hat das Spiel erst ermöglicht. Ich würde vielleicht auf eine Änderung des Themas eingehen, wenn der Verleger darauf beharrt, aber ich bräuchte schon sehr gute Argumente, warum das Thema geändert werden muss. Im Bezug zur Komplexität würde ich unsere Spiele im Mittel-Leichten-Spektrum einordnen. Da die meisten Verleger -zumindest meiner Erfahrung nach – eher diese Art von Spielen bevorzugt, sind es auch diese Spiele, die ich entwickle. Also liegen unsere Spiele so im Bereich zwischen Euphrat & Tigris und Carcassonne. Überrasch bin ich, dass Verleger tatsächlich den Wert von Spielen sehen, die nicht vollständig politisch korrekt sind. Das erlaubt es, mit den Spielen tatsächlich etwas auszusagen und hoffentlich eine Diskussion anzuregen, vielleicht sogar die Spieler zum nachdenken anzuregen. Zum Beispiel hat sich noch niemand darüber beschwert, dass die Tänzer bei The Club versteckte Qulitäten wie „großen Penis“ oder „Schöne Oberweite“ haben. Oder das ich bei Modern Society bestimmte Themen durch kontroverse Fotos aufgewertet habe, die schon eine Aussage habe – Bei der Karte „Folterskandal“ habe ich z.B. ein Foto von Abu Ghraib verwendet.

F: Stelle doch bitte einmal eure Spiele vor!
A: Oil Field ist ein netter Absacker, mit nur etwa 15-20 Minuten Spieldauer. Die Spieler versuchen Ölleitungen zum Ölfeld in der Mitte der Auslage zu legen und wer diese zuerst erreicht, gewinnt. Die Auslage wird durch doppelseite Karten gebildet, die immer irgendwelche Hindernisse zeigen. Die Hindernisse können gedreht werden, so dass sie eine andere Strecke blockieren oder die Karten werden ganz umgedreht, in der Hoffnung, dass die andere Seite ein passenderes Hindernis zeigt. Wenn beides nichts hilft darf zweimal eine Karte komplett ausgetauscht werden. Wir sind gerade dabei, eine Online-Version des Spieles zu entwickeln, die wir dann auf unsere Webseite hochladen können. Wenn alles gut geht, wird es am Ende des Monats soweit sein. Alter: Ab 8 Jahren. Für 2 oder 4 Spieler. Zu Beziehen über unseren Webstore.

The Club bringt Sex ins Brettspiel! In diesem leicht satirischen Spiel versucht man aus stereotypische Tänzern in einem Nachtclub Liebespaare zu machen. Je besser die Tänzer zusammenpassen, desto mehr Punkte gibt es. Wer an der Reihe ist, wählt drei Tänzer und schiebt sie von seinem Ende auf die Tanzfläche. Sobald sich Tänzer auf der Tanzfläche begegnen, kann man sie zu einem Paar machen. Haben die beiden nur zwei Dinge gemeinsam, wird es ein One-Night-Stand, die beiden gehen ihre eigenen Wege und weil das auf lange Sicht nicht so toll ist, gibt das nur einen Punkt. Haben die beiden aber alle vier Eigenschaften gemeinsam, haben sie ihre wahre Liebe gefunden und das ist das beste was es gibt und die maximalen 5 Punkte wert. Aber was die Sache wirklich gemein und interessant macht, ist, dass jeder Tänzer eine geheime Eigenschaft hat, welche die normale Punktzahl (1 , 3 oder 5 Punkte) beeinflusst. So ruiniert eine Geschlechtskrankheit selbst die perfekte Liebe, während ein enormer Penis für 2 Extrapunkte gut ist… ausser die Frau ist sturzbetrunken, denn dann merkt sie den Unterschied nicht. Ab und an taucht eine Berühmtheit auf und nimmt gleich 4 Tänzer mit in sein Hotelzimmer für eine Runde Spass. Oder man erwischt den Troublemaker, der die Frauen belästigt und mit den Männern eine Schlägerei anfängt. Wenn er dabei ist, kann sich kein Paar finden. Spieldauer: 60 Minuten. Für 2-4 Spieler ab 12 Jahren. Erscheibnt frühestens im Sommer 2008, spätestens Anfang 2009.

Modern Society: In diesem Spiel verkörpern die Spieler eine unsichtbare Macht und versuchen die Gesellschaft, in der die Spieler leben,  nach ihren Wünschen zu formen. Die Gesellschaft wird durch 4 Werte dargestellt: Militär, Wirtschaft, Menschlichkeit und Umweltbewusstsein. Im Spielverlauf werden Karten gespielt, die für die „heißen“ Themen dieser Gesellschaft stehen – die Nachrichten, welche die Einwohner in der Zeitung lesen, die Dinge, die am Kaffeetisch diskutiert werden würden oder in ihrem Leben eine Rolle spielen würden. Dadurch werden entweder die Werte der Gesellschaft verändert oder man bekommt über die Werte Punkte. So erhöht der Krieg im Irak den Militarismus der Gesellschaft und verringert die Menschlichkeit. Je  militaristischer eine Gesellschaft ist, desto mehr Punkte können durch Militärkarten erzielt werden. Bestimmte Karten wirken zudem auf besondere Weise zusammen. Wird z.B. der Folterskandal gespielt, zählen Militärkarten in dieser Runde null Punkte. Und wenn Gleichberechtigung gespielt wurde, dann bringt auch Feminismus Extrapunkte. Mit diesem Spiel wollen wir echtes Edutainment bieten. Wir haben es in finnischen Schulen getestet und das überaus positive Feedback hat mich überrascht. Sowohl Schüler als auch Lehrer scheinen es zu lieben, obwohl ich gedacht hätte, dass die Lehrer nicht so leicht zufrieden zu stellen wären. Es gab einige Beschwerden, dass die Punktevergabe nicht immer klar wäre, aber wir haben das verbessert und auch dafür gesorgt, dass die Spieldauer 60 Minuten nicht überschreitet (egal was passiert). Mit diesem Spiel werden wir bei der Nordic Serious Game Conference mtmachen und Modern Society Online wird auch das nächste Internetspiel sein, dass wir machen werden. Spieldauer: 60 Minuten. Für 2-6 Erwachsene (oder junge Erwachsene). Erscheint 2009.

Vielen Dank für das Interview!

Ich habe Oil Field auf der Messe gespielt. Vorweg: Ich verstehe die Entscheidung,ein Kartenspiel als erste Veröffentlichung zu präsentieren. Allerdings ist es sicherlich thematisch das uninteressanteste der drei. Mit „The Club“ oder „Modern Society“ wäre die Chance auf Aufmerksamkeit deutlich größer gewesen, Und Aufmerksamkeit braucht ein neuer Verlag nun einmal. Spielerisch ist es wirklich Absacker-Material: Schnell gespielt, einfache Regeln. Aber so richtig überzeugt hat mich das Spiel nicht – in meiner einen Partie hatte mein Partner und ich das Gefühl, das Ergebnis hängt zu einem Großteil von der (zufälligen) Startauslage ab und nur zu einem kleinen Teil von eigenem Können. Die Wertungen bei BGG sind aber so schlecht nicht (auch wenn man die 10 vom Autoren abzieht), also mag sich das nach einigen Partien geben. Ich hoffe aber auf die anderen beiden Titel!

Ich hab Sechsstädtebund gespielt und muss sagen, ich bin überrascht. Nach den Rezis im Netz und den ersten Eindrücken im Forum hatte ich ein komplexeres Vielspieler-Spiel erwaretet, vielleicht so in der Liga von Caylus. Tatsächlich ist Sechsstädtebund gar nicht so komplex, sondern liegt vielleicht auf El-Grande-Niveau. Auch spielt sich das Ganze erstaunlich flott (zu dritt haben wir ne halbe Stunde benötigt) und die Spieldauer ist genau richtig für das Gebotene. Wer das Spiel nicht kennt: In jeder Runde passiert dasselbe: Zuerst werden ein paar der 6 Städte für die Spieler blockiert. Anschließend suchen sich die Spieler eine der noch verfügbaren Städte aus (mit einem an Amun-Re-erinnernden Mechanismus, wobei allerdings das Gebotene nicht an die Bank sondern an den Mitspieler geht) und stellen das zufällige „Ressourcenrad“ so ein, dass sie das bekommen, was sie wollen – zur Auswahl stehen u.a. Waren oder Knappen, mit denen um die Städte geboten wird. Dann werden die Waren in bestimmten Kombinationen abgeliefert und Siegpunkte werden gewonnen (Dies ist der interessanteste Aspekt, aber etwas umständlich zu beschreiben, da dass hier keine Rezi ist, will ichs dabei belassen). Quasi wieder bei 0 beginnt dann eine neue Runde. Nach 6 Runden gewinnt der Punktbeste. Wie gesagt, es geht flott, die Regeln sind nicht schwierig und die einzelnen Züge sind schön kurz. Vom Anspruch haben wir eines der seltenen Spiele, die komplexitätsmässig zwischen Familienspielen und Vielspielerspielen liegen und damit interessierten Wenig/Familienspielern eine Brücke bauen können. Gefragt ist auch eher Taktik als Strategie (jeder Runde beginnt ja praktisch bei 0), so dass es gut aus dem Bauch heraus gespielt werden kann. Und auch sollte, denn das Spiel könnte sich in der falschen Runde ziehen – welche Waren in welcher Reihenfolge geliefert werden könnte „Analysis Paralysis“ herausfordern. Auch das Handling ist etwas umständlich und die Spielerreihenfolgeregeln habe ich irgendwie bis Spielende nicht verinnerlicht. Dennoch: Ein gutes Spiel, dass viel „Spiel“ in eine kurze Spieldauer hineinpackt!

ciao

peer

Peer Sylvester
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2 Kommentare

  • Schade, dass es sich nicht so gut verkauft. Ich habe es in meinem Besitz und finde es ein sehr gutes Buch, dass sich für Spielinteressierte zum lesen lohnt.