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Venedig und die Medici

Gibt es eine Stadt, die häufiger spielerisch umgesetzt wurde als Venedig? Mir fällt jedenfalls keine ein.

Natürlich hat Vendedig einige Vorteile die es für eine Umsetzung prädestinieren: Jeder denkt sofort an ein bestimmtes, sehr positiv besetztes Setting (was ja -siehe letzte Kolumne- so schlecht nicht sein kann), sie gilt als ausgesprochen schöne Stadt und, was vielleicht das wichtigste ist, sie hat einen topologisch interessanten Stadtplan. Durch die Kanäle ist Venedig bereits in bestimmte Gebiete eingeteilt, was den Plan insbesondere für Mehrheitenspiele interessant macht. Und siehe da: Venecia, San Marco, Canal Grande, Doge: Alles Mehrheitenspiele. Thematisch wurde Venedig bei Inkognito oder dem neuen Säulen von Vendig umgesetzt, aber das ist eher eine Minderheit. Dennoch, macht es Spaß, sich andere Orte zu überlegen, die ähnlich interessant wären, aber nicht umgesetzt wurden: Singapur, z.B. (ebenfalls aus einem Sumpf entstanden) oder Dubai (der Staat mit der Palmeninsel). Bangkok oder Havannah sind vielleicht topologisch nciht so interessant, aber auch deren Namen verbindet der Kopf sofort mit einer eigenen Athmosphäre. Komisch das diese Städte noch nie spielerisch umgesetzt wurden (soweit ich weiß).

Ein Nachteil von Vendig ist, dass es eben so beliebt ist. Da besteht die Gefahr, dass mehrere Spiele mit demselben Thema zeitnah erscheinen (Da so ein Prototyp schon mal mehrere Jahre bis zur konkreten Umsetzung bei einem Verlag liegt, sind diese Bündelungen tatsächlich immer zufällig). Mal ganz abgesehen davon, dass man die einzelnen Venedigvertreter schon einmal durcheinander bekommt.
Venedig“ von Klaus-Jürgen Wrede jedenfalls ist gerade bei Amigo erschienen und sollte nicht mit „Die Säulen von Venedig“ verwechselt werden. Ich habs gestern gespielt, „frisch aus dem Ofen“ sozusagen. Es gehört zu den Venedig-Spielen, die vor allem die Topologie benutzen: Die verschiedenen Inseln spielen eine kleine Rolle für die Wertungen, dazwischen bewegt sich die Siegpunktegondel umher, deren Position ebenfalls von Bedeutung ist. Am Anfang des Spieles besteht Venedig noch weitestgehend aus Sumpf und folgerichtig ist es eine der Aktionen, die ein Spieler durchführen kann, ein oder zwei Sumpfplättchen zu nehmen. Damit werden einerseits Bauplätze frei und andererseits sind die Plättchen 0-2 Gold wert. Bevor was freigeräumt wird, werden Karten gespielt. Die Karten stehen für Gebäude, die errichtet werden. Pro Gebäude sind 1-4 Karten dieser Sorte zu spielen und da man selten 4 passende Karten für eine Basilika (ich hoffe ich erinner mich richtig an die Gebäudebezeichnungen) haben dürfte, darf man auch ein Gebäude anfangen. Andere Spieler können sich dann in ihrem Zug daran beteiligen und die fehlenden Karten ergänzen. Das Gros der Siegpunkte (1 für ein Haus, 7 für eine Basilika, die anderen hängen vom Baugrund ab, bringen aber in der Regel 2-4) bekommt der Spieler mit den meisten Karten, der Rest die abgerundete Hälfte. Originell ist, dass Spieler, die mit ihrer Siegpunktgondel an die Insel angrenzen, sich ein Goldplättchen (4-6 Gold) nehmen dürfen. 5 Gold entsprechen einem Siegpunkt, der jederzeit während eines Zuges eingesetzt werden kann – z.B. um vor einer Wertung noch die passende Insel zu erreichen. Außerdem werden besetzte Felder der Siegpunktleiste übersprungen, so dass auch hier ein gut eingesetzter Extrasiegpunkt gleich einen mittleren Schritt bedeuten kann.
Soweit klingt alles schön und gut. Nette und originelle Ideen versprechen einen interessanten Spielablauf. Doch genauso wie es der Graphiker es als erster Graphiker der Spielegeschichte geschafft hat, einen völlig langweiligen, ja sogar häßlichen Spielplan aus der Karte der Lagunenstadt zu pinseln, so schafft es das Spiel, dass alle interessanten Ideen in einem absolut belanglosen Spiel verpuffen. Zum einen ist das Spiel vom Handling her fizzelig, vom Spielrhytmus her nervig (Die Regel, dass eine vergessene Aktion verloren ist, deutet schon darauf hin, dass der Spielzug eines Spielers nicht intuitiv aufgebaut ist), zum anderen sind die ganzen vermeintlich interessanten Steuerungselemente letztlich völlig Banane. Wo ich die Gebäude hinsetze ist oft egal und selbst welches macht den Kohl kaum Fett, mal 3 Siegpunkte, mal vier, mal gar deren 7. Da gibt es nicht viel rauszuholen, denn dadurch dass jeder fast ständig irgendwie Gold holt, bekommt man schätzungsweise 1/3 der Siegpunkte mehr oder minder passiv übers Gold. Und da ja besetzte Felder übersprungen werden, können die hintenliegenden Spieler übers Gold immer wieder herankommen. Resultat: Absetzen durch geschicktes Spiel ist fast unmöglich. Da das Gold aber nicht aktiv gewonnen wird, ist es fast egal ob man gut oder schlecht aktiv spielt. Viel wichtiger ist es, dass man bei Spielende zufällig vorne liegt – das ist aber kaum steuerbar. Und für ein Spiel ohne echte Kontrolle ist es zu kompliziert.
Viel schlimmer ist es aber noch, dass es keinen Spaß macht. Und es macht keinen Spaß weil jegliche Zwänge fehlen. Was ich wann für Karten spiele ist weitestgehend egal. Allemal ganz am Anfang können Bauplätze knapp werden. Ich kann nichts falsch machen und optimales Spiel wird -siehe oben – fast nicht belohnt. Wozu also überhaupt anstrengen?

Ich weiß nicht ob die Medici in Venedig aktiv waren (vermute es mal), aber ich weiss, dass nicht nur Verlage Pech mit Doppelungen haben können. Mit Medici vs. Strozzi ist das erste Spiel erschienen, dass so heißt, wie einer meiner Prototypen. Allerdings ist mein Prototyp noch lange nicht fertig, er funktioniert nicht richtig – das kann man über das gleichnamige Spiel von Reiner Knizia, erschienen bei Rio Grande, nicht sagen. Es ist eine Zweipersonenvariante des schon ziemlich guten Spieles „Medici“ und es ist tatsächlich vielleicht sogar noch besser als das Urspiel. Ich hab schon viel geschrieben und bin ein bisschen krank, also nur kurz: Es haben sich ein paar Details geändert – so zwerden jetzt Schiffe mit begrenzter Ladekapazität gefüllt, die sozusagen das Handlimit ersetzen. Wichtigste Änderung ist aber der Versteigerungsmodus: Spieler 1 zieht 1-3 Plättchen aus dem Beutel (wie die Karten bei Medici) und nennt dann einen Preis. Der andere Spieler kann die Auslage zu diesem Preis bezahlen oder ablehnen. Lehnt er ab, muss der erste Spieler diesen Preis zahlen und die Plättchen nehmen. Ah, da kommt ne Menge Psychologie ins Spiel! Der Preis ist praktisch nicht berechenbar, zumal die beiden Spieler ja unterschiedliche Dinge benötigen. Zudem ist der Mechanismus einfach – das Spiel hätte hervorragend in die Kosmos-2er-Reihe gepasst. Allerdings muss man sich damit abfinden, einen Preis aus dem Bauch heraus zu nennen – sicherlich nicht jedermanns Sache. Denn ob 27 oder 32 ist letztlich kaum zu begründen…

ciao
peer

Peer Sylvester
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10 Kommentare

  • Moin Peer,
    erstmal gute Besserung.

    Interessant wäre bei der Flut von Venedigspielen doch mal, welches Spiel insgesamt das beste ist, sprich die höchste Wiederspielmotivation besitzt. Ansonsten denke ich, dass Venedig im spielerischen Sinne nicht als die Stadt Venedig sondern eher als das Thema Venedig anzusehen ist. Es geht eben um die Assoziationen, die man zu einem Begriff hat. Und so betrachtet, dürfte es sich mit Piraten und Mittelalter in guter Gesellschaft befinden ;-)

    Andreas (der nach dem erfreulichen Wikingerschub gern Germanen und Kelten stärker behandelt sehen würde :-) )

  • Nun,die Frage nach dem besten Venedigspiel ist natürlich eine reine Geschmacksfrage. Zudem hab ich Doge und Venecia nicht gespielt – die Flut der Mehrheitenspiele war damals zu groß.
    Persöhnlich mag ich „Inkognito“ am liebsten. Es ist ein originelles, schnelles Spiel mit wunderschönem Material.

  • Natürlich ist das subjektiv. Doge hab ich hier im Schrank. Wir ahben es einmal gespielt. Irgendwie sprang da der Funke nicht über. Vielleicht sind auch einfach solche Mehrheitenspiele nicht mein Ding. Keine Ahnung.

    Dafür kenne ich sonst keine Venedigspiele. Und das wird sich sobald auch nicht ändern, weil ich noch 4 ungespielte Spiele im Schrank hab :-) Namentlich Drüber & Drunter, Pfeffersäcke, Die Säulen der Erde, Im Schatten des Kaisers. Und meine Prototypen wollen natürlich auch nicht zu kurz kommen ;-)

  • Nur 4???? Wie machst du das nur? Ich kann da locker ein, zwei Nullen dranhängen… (Naja, zwei ist sicherlich übertrieben. Es sei denn ich zählen Edition Spielbox, Downloadspiele und Spielebeschreibungen aus Büchern mit)

  • Ist eigentlich so einfach wie schade. Ich hab nicht genug Geld… Als armer Student, der von 400€-Job+Kindergeld lebt und bald umziehen will hat man nicht ganz so viel über. Ups, 2 Kartenspiele hab ich noch vergessen :-D

  • Oh, viel Geld habe ich auch nie ausgegeben, aber dennoch sammelt sich so manches an. Liegt an den Flohmärkten und an den Karstadt-Verramschaktionen (obwohl da im Moment auch nicht viel los ist…)

  • Hi Peer!

    Von den genannten Venedig-Spielen gefällt mir definitiv San Marco am besten. Leider macht es wirklich nur in der 4er Besetzung richtig Laune. Venezia und Doge nur einmal gespielt und für Unterdurchschnittlich befunden. Die Säulen von Venedig kommt dicht hinter San Marco, allerdings kränkelt hier die 3er Besetzung. Canal Grande habe ich auch erst einmal gespielt… es ist reduziert auf den Verteilmechanismus von San Marco – ganz nett, aber so richtig toll fand ichs auch nicht.
    Dass Klaus Jürgen Wrede wieder mal kein gutes Spiel gelungen sein soll überrascht mich nicht wirklich. Er leidet unter dem „Carcassonne-Fluch“. Jede seiner Veröffentlichungen muss sich irgendwie daran messen lassen und dadurch waren die Spiele allesamt Enttäuschungen: Anasazi, Drachenreiter, Krone & Schwert, Mesopotamien (manche mögen es, ich finds ziemlich öde). Trotzdem möchte ich es zumindest einmal gespielt haben um mir meine Meinung bilden zu können.
    Grüße Bernd

    PS: Medici ist klasse (Medice vs. Strozzi kenne ich noch nicht), ich würde es aber nicht zu den „Venedig-Spielen“ zählen.

  • San Marco fand ich so lala – Guter Mechanismus, aber der Rest schwächelt. Da finde ich Canal Grande tatsächlich besser, auch wenn man ein halbes Spiel braucht um sich reinzufinden (ich muss es mal in der Partnervariante spielen).

    Ich denke dass Wrede eher unter dem „Carcassonne-Bonus“ „leidet“ – Ich denke mal er kann leichter mal ein Spiel bei einem Verlag unterbringen als unsereiner. Andererseits sind die Wertungen bei Boardgamegeek doch recht positiv. Kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen…